Risikokommunikation

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bis ans Ende der Welt

Beitrag von realdream » 4. Mai 2014 10:00

Evelyne Binsack (geb. 1967) wuchs im schweizerischen Hergiswil auf. Schon als Jugendliche bestieg sie die grossen Wände der Alpen. 1991 liess sie sich zu einer der wenigen diplomierten Bergführerinnen Europas ausbilden. Danach kletterte sie dreimal durch die Eigernordwand, unternahm zahlreiche Expeditionen in den Himalaja, zum Karakorum, in die Anden und nach Patagonien. 1998 machte sie den Flugschein als kommerzielle Helikopterpilotin. 2001 stand sie als erste Schweizerin auf dem Mount Everest und schrieb ein Buch darüber (Schritte an der Grenze). Im September 2006 begab sie sich auf ihre bisher anspruchsvollste Tour: aus eigener Kraft von der Schweiz bis an den Südpol.

Eine beeindruckende Frau, die etwas zu sagen hat. Kürzlich hatte ich das Glück, einem Live-Vortrag von ihr beizuwohnen und war so erfreut wie überrascht von der enormen menschlichen Wärme, die sie ausstrahlt. Die nachfolgenden Auszüge sollen zur Lektüre und zum eintauchen in die Welt von Evelyne einladen.

Evelyne Binsack – Expedition Antarctica (484 Tage bis ans Ende der Welt)
Malik, 2010, ISBN 978-3-492-40379-5

Von nun an gibt es nur noch das Jetzt und was daraus erwächst… (S. 5)

Ich schaute mir selber zu und staunte, wie eine simple Idee – ein Konstrukt aus Gedanken – zur Wirklichkeit wurde. Was ein „Nichts“ war, wurde auf einmal erlebbar und bestimmte das Handeln. (S. 8)

Es gibt nur ganz wenige Reize, aber die in schier unerträglichem Ausmass. Da ist der Himmel, das Eis, der Wind und die Kälte. Nichts sonst. Bis zur Unerträglichkeit. Da locken nur geistige Werte. Der Ruhm vielleicht, die Suche nach wissenschaftlicher Erkenntnis und die Suche nach sich selbst in so viel Einsamkeit, in einer unendlich scheinenden, unberührten Natur – welch schöne Utopie zur Verwirklichung meiner Träume. (S. 11)

Wer mit den Verhältnissen vertraut ist, kann das Risiko einschätzen und vermeidet die gefährdeten Stellen. (S. 15)

Erfahrung kommt mit der Zeit und mit dem Weg. (S. 17)

Die Leistungsgrenze bildet eine äusserst reizvolle Linie in der Innenwelt menschlicher Erfahrung. (S. 29)

Die Wut erweist sich als unglaublich schöpferische Kraft. Sie befähigt einen zu schier übermenschlichen Leistungen. (S. 29)

Jetzt habe ich die Gewissheit. Ich bin bereichert wieder hier. Stärker an Körper und Seele. Ich trage etwas in mir, das ich zuvor nicht in mir trug und das ich gerne nach aussen vermittle. (S. 36)

[wird fortgesetzt]

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social media und vereinsamung

Beitrag von realdream » 5. Mai 2014 21:37

Schön gereimte, berührende und aussagekräftige Risikokommunikation bezüglich social media und Vereinsamung:

http://blog.petflow.com/this-is-a-video ... peechless/

Auf Facebook bereits mehr als 1,5 Mio. mal geteilt.

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bis ans Ende der Welt

Beitrag von realdream » 7. Mai 2014 18:43

Die Faszination, die ich beim Klettern empfinde, diese elektrisierende Hellwachsamkeit, bei der es tausend Dinge gleichzeitig wahrzunehmen gilt, diese geistige Vorwegnahme aller Möglichkeiten, aus denen sich die richtigen Entscheide ergeben, das alles hat mir die Radlerei selten gebracht. … Man ist in der Tretmühle und gleichzeitig die Tretmühle selbst, schlägt sich den Tag um die Ohren, um müde zu werden und schlafen zu können. (S. 38)

Kurz, Selbstmitleid war kein Erfolgsrezept. (S. 40)

Jedes Mal, wenn es dich umhaut, stehst du wieder auf. Das Blümchen lehrte mich, dass Demut nicht bedeutet, gesenkten Hauptes durch das Leben zu wandeln, sondern dass sie es ermöglicht, die Egozentrik zu regulieren und zu akzeptieren, dass grosse Ziele immer auch Verzicht verlangen. (S. 42)

Wir sind begleitet. Es gibt diese Zufälle, fast immer, die einem ganz einfach zufallen. Solche Zufälle haben meinen Glauben an eine Kraft, von welcher uns als Kind gelehrt wurde, dass sie Gott heisst, im Laufe meines Lebens vertieft. (S. 43)

Feinde sind unvermeidbar – und unverzichtbar, als Gegner, Rivalen und Spiegel der eigenen Schwächen. Es ist eine gute Fähigkeit, dem Feind Gehör zu schenken. … Je stärker der Feind, umso würdiger fordert er mich heraus, aus meinen Fehlern und seiner Stärke zu lernen. So gesehen ist der christliche Anspruch „Liebe deine Feinde“ gar nicht so selbstlos. (S. 47)

Durch diese innere Gesetzmässigkeit einer stabilen Instabilität lernte ich, die schwarzen Tage wegzustecken, bevor sie begannen, und die guten Zeiten umso rückhaltloser und bewusster zu geniessen. (S. 58)

Zum Abschied kämpften wir alle mit den Tränen. Wir schenkten einander, was so einfach zu sein scheint und doch schwierig in Zeiten des schnellen Gewinns: „human being“, Menschsein. (S. 70)

Wenn ich vor einer Strecke Respekt hatte, dann vor der Atacama im Norden Chiles: der trockensten Wüste der Erde im Regenschatten der Anden. Manche Wetterstation dort hat in ihrer Geschichte noch nicht einen Wassertropfen registriert. (S. 81)

Die Natur macht aus Gewinnern Verlierer und aus Verlierern Gewinner. Sie ist schnörkellos und völlig korruptionsuntauglich. Und wir alle gehen zu ihr in die Schule, ein Leben lang. (S. 93)

Die wahren Helden im Leben sind die Stillen: jene, die sich mit Herzblut für das Wohl anderer einsetzen und daraus Kraft schöpfen. Ihnen gehört meine uneingeschränkte Anerkennung. (S. 94)

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bis ans Ende der Welt

Beitrag von realdream » 10. Mai 2014 13:12

Ich begann zu verstehen, dass wir niemals besitzen, sondern alle nur Passagiere im Zug der Zeit sind. Es ist ein Ein- und Aussteigen, einige wechseln ein Leben lang von Zug zu Zug, springen von Waggon zu Waggon mit wenig Gepäck wie mein Trainman in Yuma, während andere ganze Züge besetzen, um ihre Fabriken, Ländereien, Laden- und Hotelketten und den ganzen Tand ihres Reichtums mit sich zu führen. Doch aussteigen müssen wir alle einmal, da hilft kein Botox, kein Workout, kein Reichtum, kein Garnichts. (S. 102/103)

Unabhängig von allen Umständen und Voraussetzungen: Wenn du Erfolg haben willst, kämpfe darum. Mit deiner ganzen Kraft, unablässig – aber nicht unablässig an der Grenze deiner Möglichkeiten, sondern langfristig, unermüdlich. Manchmal musst du die Geschwindigkeit drosseln, Umwege machen, eine Pause einlegen, auftanken, andern den Vortritt lassen, das Vorgehen ändern, Kompromisse eingehen. Aber verlier das Ziel nicht aus den Augen. (S. 115)

Ob das auch Aberglaube ist, dass ich den Rosenkranz meiner ersten Kommunion vom Bischof hier in Punta Arenas weihen liess? Ich war so gerührt, als meine Mutter ihn aus der Handtasche zog, als ich sie am Flugplatz abholte. Sie, die mit ihren fast einundachtzig Jahren zum ersten Mal über den Atlantik geflogen war, um mir zusammen mit meinem Cousin und meiner Cousine das noch fehlende Material und vor allem ihren Segen zu bringen. (S. 126)

Gewiss, wir wollten zum geografischen Südpol, aber die eigenartigen Eigenschaften des magnetischen machen den Magnetkompass so tief im Süden zu einem trügerischen Partner. (S. 128)

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