von Margarete Kaufmann » 23. Januar 2003 21:09
Die F.A.Z. "hört es trapsen". Es fehlt nur noch, daß sie die "Mobilfunk-Forschung" namentlich miteinbezieht (tut sie noch nicht) ! Aber angesichts des Interviews mit L. v. Klitzing paßt das hier nochmal besonders (leider aus sehr deutscher Sicht geschrieben, aber vielleicht doch auch für Schweizer interessant):
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.01.2003 Ressort: Natur und Wissenschaft
Vom Lockruf des Geldes
Noch immer fehlen Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten (in der Wissenschaft)
Den Königsweg der Innovation gilt es noch zu entdecken. Als gesichert gilt hingegen, daß die Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft eine tragende Rolle dabei spielt. Sei es durch Wissenstransfer über Gutachter- und Beratungstätigkeit von Professoren für die Industrie, durch Auftragsforschung, durch gemeinsame Projekte oder durch die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen mit An-Instituten oder Technilogietransferstellen.
Die als "Public Private Partnership" bezeichneten Verbindungen sind also politisch und wirtschaftlich durchaus erwünscht. Trotzdem bergen sie stets die Gefahr von Interessenskonflikten. In den Vereinigten Staaten wird dies seit den sechziger Jahren diskutiert. Schon lange ist der Umgang mit Interessenkonflikten geregelt. Die beiden wichtigsten Förderorganisationen für die biomedizinische Forschung beispielsweise, der Public Health Service (PHS) und die National Science Foundation (NSF), machen heutzutage die Vergabe von Fördermitteln von der Existenz von Richtlinien zum Umgang mit Interessenskonflikten an den Forschungseinrichtungen abhängig. Auch das International Committee of Medical Journal Editors ("Vancouver-Gruppe") empfiehlt allen an einer Veröffentlichung beteiligten Forschern, Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt zu offenbaren.
In Deutschland hingegen scheint diese Möglichkeit bisher nicht annähernd so stark in das Bewußtsein der Wissenschaftler gerückt zu sein. Es bleibt bei einzelnen Äußerungen. Der Ombudsmann der deutschen Forschungsgemeinschaft für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten empfiehlt in seinem veröffentlichtem Jahresbericht 2001/2002, die Wissenschaft möge sich eingehend mit dem Thema befassen. Der mit dem Erhardt-Imelmann-Preis ausgezeichneten Dissertation von Christina Lux ist es zu verdanken, wenn die längst überfällige Diskussion zur Bewältigung von Interessenskonflikten hierzulande nun endlich auf solider Grundlage ausgetragen werden kann.
Wissenschaft und Forschung sind bei weitem nicht so autonom, wie sie sich mitunter gerne darstellen, sondern - um es mit den Worten Hubert Markls auszudrücken - eher "scheinselbständig". Objektivität und Neutralität vermögen Interessenskonflikte von Forschern daher nicht auszuschließen. ...
... Auch können Forscher oder enge Familienangehörige Aktionäre von Konzernen sein, deren Hauptumsatz in der Produktion und im Vertrieb eines bestimmten Produktes besteht. Spätestens wenn im Rahmen eines Forschungsvorhabens die Qualitäten dieses Produktes zu testen sind, besteht ein Konflikt.
Die bekanntesten amerikanischen Fälle von Interessenskonflikten dürften seitens der Tabakindustrie geförderten Forschungsprojekte sein. Ein weiteres Beispiel ist die von der amerikanischen Asbestindustrie vor mehr als fünfzig Jahren geförderte Forschung über die gesundheitlichen Auswirkungen von Asbest: Das Ergebnis legte nahe, daß der Kontakt mit Asbest Asbestose und Lungenkrebs hervorufen kann. Die Ergebnisse wurden daraufhin zurückgehalten. - UND HIERHER GEHÖRT JETZT AUCH DER MOBILFUNK !!! Von der F.A.Z. aber nicht genannt. M.K.
Daß sich auch einzelne deutsche Forscher bei der Planung, Bewertung und Durchführung von Projekten letztlich von finanziellen Motiven statt von schierem Erkenntnisssteben leiten lassen könnten, wird nur bestreiten, wer ein naturgemäß höheres Ethos deutscher Forscher gegenüber den amerikanischen Kollegen unterstellt. Zwar sind in Deutschland für betrügerische Forscher mittlerweile schlechte Zeiten angebrochen. Während noch vor wenigen Jahren das Fehlverhalten ein Tabuthema war, haben mittlerweile viele Einrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft nachgeeifert und Verfahrensordnungen zum Umgang mit Fehlverhalten erlassen. ... Die Forschungsgemeinschaft hat außerdem Regeln guter wissenschaftlicher Praxis beschlossen. Diese Regelungen haben aber nicht die Bewältigung von Interessenskonflikten zum Gegenstand, sondern regeln den Fall, daß ein Forscher Ergebnisse gefälscht oder geschönt hat - ... Sie reagieren freilich erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, obwohl - wie die amerikanischen Erfahrungen zeigen - gerade im Fall von Interessenskonflikten im Vorfeld angesiedelte Spezialregelungen eine enorme präventive Wirkung entfalten.
Das rechtliche Instrumentarium zum Umgang mit Interessenskonflikten ist in Deutschland lückenhaft. ...
In den Vereinigten Staaten wird von den Forschern regelmäßig verlangt, daß sie ihre wesentlichen finanziellen Interessen - sowie die der Ehepartner und der abhängigen Kinder - offenlegen, soweit sie durch ihre Forschungstätigkeiten berührt werden. ...
Stefanie Stegemann-Boehl
(c) Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die F.A.Z. "hört es trapsen". Es fehlt nur noch, daß sie die "Mobilfunk-Forschung" namentlich miteinbezieht (tut sie noch nicht) ! Aber angesichts des Interviews mit L. v. Klitzing paßt das hier nochmal besonders (leider aus sehr deutscher Sicht geschrieben, aber vielleicht doch auch für Schweizer interessant):
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.01.2003 Ressort: Natur und Wissenschaft
Vom Lockruf des Geldes
Noch immer fehlen Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten (in der Wissenschaft)
Den Königsweg der Innovation gilt es noch zu entdecken. Als gesichert gilt hingegen, daß die Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft eine tragende Rolle dabei spielt. Sei es durch Wissenstransfer über Gutachter- und Beratungstätigkeit von Professoren für die Industrie, durch Auftragsforschung, durch gemeinsame Projekte oder durch die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen mit An-Instituten oder Technilogietransferstellen.
Die als "Public Private Partnership" bezeichneten Verbindungen sind also politisch und wirtschaftlich durchaus erwünscht. Trotzdem bergen sie stets die Gefahr von Interessenskonflikten. In den Vereinigten Staaten wird dies seit den sechziger Jahren diskutiert. Schon lange ist der Umgang mit Interessenkonflikten geregelt. Die beiden wichtigsten Förderorganisationen für die biomedizinische Forschung beispielsweise, der Public Health Service (PHS) und die National Science Foundation (NSF), machen heutzutage die Vergabe von Fördermitteln von der Existenz von Richtlinien zum Umgang mit Interessenskonflikten an den Forschungseinrichtungen abhängig. Auch das International Committee of Medical Journal Editors ("Vancouver-Gruppe") empfiehlt allen an einer Veröffentlichung beteiligten Forschern, Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt zu offenbaren.
In Deutschland hingegen scheint diese Möglichkeit bisher nicht annähernd so stark in das Bewußtsein der Wissenschaftler gerückt zu sein. Es bleibt bei einzelnen Äußerungen. Der Ombudsmann der deutschen Forschungsgemeinschaft für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten empfiehlt in seinem veröffentlichtem Jahresbericht 2001/2002, die Wissenschaft möge sich eingehend mit dem Thema befassen. Der mit dem Erhardt-Imelmann-Preis ausgezeichneten Dissertation von Christina Lux ist es zu verdanken, wenn die längst überfällige Diskussion zur Bewältigung von Interessenskonflikten hierzulande nun endlich auf solider Grundlage ausgetragen werden kann.
Wissenschaft und Forschung sind bei weitem nicht so autonom, wie sie sich mitunter gerne darstellen, sondern - um es mit den Worten Hubert Markls auszudrücken - eher "scheinselbständig". Objektivität und Neutralität vermögen Interessenskonflikte von Forschern daher nicht auszuschließen. ...
... Auch können Forscher oder enge Familienangehörige Aktionäre von Konzernen sein, deren Hauptumsatz in der Produktion und im Vertrieb eines bestimmten Produktes besteht. Spätestens wenn im Rahmen eines Forschungsvorhabens die Qualitäten dieses Produktes zu testen sind, besteht ein Konflikt.
Die bekanntesten amerikanischen Fälle von Interessenskonflikten dürften seitens der Tabakindustrie geförderten Forschungsprojekte sein. Ein weiteres Beispiel ist die von der amerikanischen Asbestindustrie vor mehr als fünfzig Jahren geförderte Forschung über die gesundheitlichen Auswirkungen von Asbest: Das Ergebnis legte nahe, daß der Kontakt mit Asbest Asbestose und Lungenkrebs hervorufen kann. Die Ergebnisse wurden daraufhin zurückgehalten. - UND HIERHER GEHÖRT JETZT AUCH DER MOBILFUNK !!! Von der F.A.Z. aber nicht genannt. M.K.
Daß sich auch einzelne deutsche Forscher bei der Planung, Bewertung und Durchführung von Projekten letztlich von finanziellen Motiven statt von schierem Erkenntnisssteben leiten lassen könnten, wird nur bestreiten, wer ein naturgemäß höheres Ethos deutscher Forscher gegenüber den amerikanischen Kollegen unterstellt. Zwar sind in Deutschland für betrügerische Forscher mittlerweile schlechte Zeiten angebrochen. Während noch vor wenigen Jahren das Fehlverhalten ein Tabuthema war, haben mittlerweile viele Einrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft nachgeeifert und Verfahrensordnungen zum Umgang mit Fehlverhalten erlassen. ... Die Forschungsgemeinschaft hat außerdem Regeln guter wissenschaftlicher Praxis beschlossen. Diese Regelungen haben aber nicht die Bewältigung von Interessenskonflikten zum Gegenstand, sondern regeln den Fall, daß ein Forscher Ergebnisse gefälscht oder geschönt hat - ... Sie reagieren freilich erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, obwohl - wie die amerikanischen Erfahrungen zeigen - gerade im Fall von Interessenskonflikten im Vorfeld angesiedelte Spezialregelungen eine enorme präventive Wirkung entfalten.
Das rechtliche Instrumentarium zum Umgang mit Interessenskonflikten ist in Deutschland lückenhaft. ...
In den Vereinigten Staaten wird von den Forschern regelmäßig verlangt, daß sie ihre wesentlichen finanziellen Interessen - sowie die der Ehepartner und der abhängigen Kinder - offenlegen, soweit sie durch ihre Forschungstätigkeiten berührt werden. ...
Stefanie Stegemann-Boehl
(c) Frankfurter Allgemeine Zeitung