Wie es funkt im Kindergarten

Beobachter

Wie es funkt im Kindergarten

Beitrag von Beobachter » 10. November 2021 17:23

Wenn Claudia morgens an ihrem Arbeitsplatz, der Kita "Kleine Frösche" ankommt, dann gibt sie an der Tür einen PIN-Code ein, um sie zu entriegeln. Im Eingangsbereich wischt sie auf dem Touchscreen des an der Wand montierten Tablets zur Seite, um sich anzumelden. Ein Dialogfenster öffnet sich, und Claudia kann sehen, dass schon drei Kinder aus ihrer Gruppe da sind und vom Frühdienst betreut werden. Mia, Emma und Oskar bauen bereits in dem Sandkasten vor dem Gruppenraum eine Burg. Jetzt hört sie aufgeregte Stimmen: Die Kinder haben einen großen Käfer gefunden. Claudia holt eine Becherlupe und hilft, das Tier darin einzufangen. Emma möchte wissen, was das für ein Käfer ist. Während die Kinder das Insekt genau betrachten, holt Claudia ein Tablet und fotografiert die Kinder mit dem Käfer. Anschließend öffnet sie eine App, mit der man Käfer bestimmen kann. Gemeinsam vergleichen sie die Abbildungen mit dem realen Exemplar. Nachdem sie die Käferart herausgefunden haben, wollen die Kinder eine Höhle für das Tier bauen und gehen wieder nach draußen. Claudia legt derweil das Foto von Mia, Emma, Oskar und dem Käfer in den digitalen Portfolio-Ordnern der Kinder ab. Dazu nimmt sie wieder das Tablet zur Hand und fügt noch einen kurzen Text hinzu. Sie ordnet den Eintrag mit ein paar Fingerbewegungen dem Bildungsbereich "Natur" zu und löst eine Benachrichtigung an die Eltern aus. Binnen Sekunden schreibt Oskars Mutter einen Kommentar und bedankt sich für das Bild. Mias Vater vergibt ein Sternchen als positive Rückmeldung. In der Zwischenzeit hat Claudia auf ihrem Handy eine Whatsapp-Nachricht von ihrer Kollegin Sarah bekommen, die sich krankmeldet. Claudia schaltet den Laptop ein und schaut im digitalen Dienstplan nach, ob jemand einspringen kann …
Bei der Arbeit mit Eltern zeigt sich besonders deutlich, wie sich die Kommunikationsgewohnheiten an die Lebenspraxis der Beteiligten anpassen: Indem Eltern ebenso wie die Fachkräfte durch ihr Smartphone in der Regel dauerhaft vernetzt mit der Welt sind, fließt die Eltern-Fachkraft-Kommunikation fast schon natürlich in diesen Kommunikationsstrom ein. Sie wird Teil der verschiedenen Informationen, die über die unterschiedlichen digitalen Kanäle aufgenommen werden.
Aus Sicht von Fachkräften ist diese unmittelbare Kommunikation nicht nur wegen ihrer geschmeidigen Integration in die Arbeitsabläufe attraktiv. Als Vorteil sehen sie auch die inhaltliche Fokussierung auf das konkrete Tun des einzelnen Kindes. Denn die Kommunikation beschränkt sich nicht auf die Ankündigung eines Ausflugs, sondern bezieht vermeintlich kleine alltägliche Bildungsmomente wie das Entdecken eines Käfers in den Austausch ein. Diese intensivere Kommunikation erleben viele Fachkräfte als positiv: Sie fühlen sich in ihrer Arbeit stärker wahrgenommen und wertgeschätzt; zudem empfinden sie sich mit Blick auf die Eltern als wirksamer, denn sie haben den Eindruck, dass ihre Botschaften bei diesen auch tatsächlich ankommen.

Auszug aus
Kita 2.0. Potenziale und Risiken von Digitalisierung in Kindertageseinrichtungen
https://www.bpb.de/apuz/293130/potenzia ... richtungen
Helen Knauf ist Professorin für Pädagogik an der Hochschule Fulda. Sie forscht schwerpunktmäßig zu frühkindlicher Bildung sowie zu Bildungsdokumentation und Digitalisierung in pädagogischen Institutionen.