Impressionen von einer internationalen Konferenz der WHO in
Verfasst: 18. Mai 2006 20:59
Wissenschaft im Dienste der Mobilfunkindustrie
Impressionen von einer internationalen Konferenz der WHO in Graz, April 2006
„Emerging Technologies, Potential Sensitive Groups and Health”
Ein Bericht von Elisabeth Henschel aus Graz 20./21. April
Bereits in der Halle des Grazer TU Gebäudes, in dem die Konferenz unter Beteiligung von rund 70 Vertretern aus Wissenschaft und Industrie stattfindet, empfängt einen ein Infostand der Firma T-Mobile.
Richtet sich die Werbung des Mobilfunkunternehmens eigentlich an Studierende, so ist sie doch Vorzeichen für die gesamte Konferenz. Selbst renommierte Wissenschaftler ziehen gleich zu Anfang alle Register, um bereits publizierte Studien, die ein gesundheitliches Risiko der HF-Technologie belegen, zu diskreditieren. Die radikale Argumentation reicht von „nicht reproduzierbare“ oder „inkonsistente Ergebnisse“, „nicht auf den menschlichen Organismus übertragbar“ bis „wissenschaftlich oder klinisch nicht relevant“ (z.B. Vijayalaxmi, USA zur Gentoxizität) – Ausnahmen gibt es keine. Es seien keinerlei Effekte der neuen HF-Technologien auf den Organismus bekannt (Lin, USA). Neue Forschung würde das Gewicht der bisherigen Ergebnisse, die allesamt Risikofreiheit attestieren, nicht mehr verschieben können. Es gäbe ausschliesslich thermische Effekte, die aber im Rahmen der ICNIRP-Grenzwerte keine Probleme aufwerfen würden (Swicord et al., USA). Sogar von glücklichen Versuchstieren ist die Rede. Vom Auditorium wird all das unkommentiert hingenommen. Wenn da nur nicht das Problem wäre, dass auch immer mehr Studien Risiken belegen, die von der WHO, der EU, den Regierungen d.h. weitgehend finanziert von der Industrie, in Auftrag gegeben wurden.
So berichtet etwa Hansson Mild von einem „beunruhigenden“ Anstieg des Akustischen Neuronoms (Krebs). Der renommierte schwedische Professor wirkt dabei kleinlaut und entschuldigt sich beim Auditorium mit den Worten, es würde sich um eine sehr seltene Krankheit handeln. Auch andere Forscher, die Kritisches zu berichten wissen, halten sich in ihren Formulierungen vorsichtig zurück und tragen ganz leise vor: Kolodynski (Lettland) berichtet von der Zunahme der Nervosität bei Schulkindern unter EMF-Exposition. Smigielski et al finden in vitro Effekte auf das Immunsystem (Leukozyten und Lymphozyten) bereits bei Befeldung beträchtlich unter den ICNIRP-Grenzwerten. Vojtisek et al (Tschechische Republik) berichtet von hyperaktiven Ratten. Oezgür et al (Türkei) wie Tuschl et al (Oesterreich) stellen immerhin eine Wirkung auf das komplexe Immunsystem zur Diskussion, wobei aber immer wieder auf andere mögliche Einflussfaktoren hingewiesen wird. Leszcynski (Finnland), bekannter Grundlagenforscher im Bereich Genomics und Proteomics, mahnt an, dass ein neuer Ansatz in der Forschung notwendig sei, um diese anderen Faktoren auszuschliessen. Nur, dass missliebige Ergebnisse dann noch schlechter wegzudiskutieren wären.
Das Thema Risikokommunikation nimmt – wie immer bei derartigen Meetings – breiten Raum ein. Hier geht es um PR-Strategien, die darauf abzielen, Sorgen und Protest in der Bevölkerung abzuwiegeln. Dass hierfür ein Vertrauensbildungsprozess notwendig wäre, ist vielen klar. Aber auch welcher Basis kann dieses Vertrauen geschaffen werden?
Risikogruppen – auch wenn der Titel der Veranstaltung dies vermuten liesse – werden nicht ausgemacht, Elektrosensible einfach diskreditiert. Alte und Kinder? Aber wieso denn, der menschliche Körper ist doch robust. Der Fötus, ja der ist empfindlich, aber Bauchdecke und Fruchtwasser der Mutter schützen ihn ausreichend (Pessenhofer, Oesterreich). Nur einmal wird richtig gelacht im sonst so stillen Auditorium: als Pessenhofer auf die Frage, ab wann man ein Kind mobil telefonieren lassen könne, antwortet: „Nur bei der Geburt würde ich dem Säugling kein Handy an den Kopf halten“. Aber keine Sorge: Bis zum vierten und fünften Lebensjahr hat sich da alles ausgewachsen, meint der Referent.
Kommentar:
Manchmal möchte man bei solchen Veranstaltungen dabei sein können, um sich ein eigenes Bild zu machen. Was Frau Henschel berichtet, zeigt, dass von dieser Seite nicht viel in unserem Sinn zu erwarten sein wird, auch wenn es nachdenkliche Wissenschaftler zu geben scheint. Es ist mir unbegreiflich wie es bei den vielen Hinweisen und Erfahrungsberichten auf negative biologische Wirkungen von EMF Personen geben kann, welche die ICNRIP-Werte als genügenden Schutz für alle ansehen und Elektrosensible diskretieren. Solches lässt sich wohl vor allem durch die Finanzmacht der Mobilfunkindustrie erklären, dass die für sie richtigen Leute an den für sie richtigen Stellen platziert sind, auf die dann bei der Gesetzgebung abgestellt wird.
Können wir etwas dagegen tun und was? Wir sind meistens Laien, arbeiten ehrenamtlich, haben zuwenig Geld und Zeit, Betroffene noch zuwenig Kraft. Es ist ein enormes Kräfteungleichgewicht. Jedenfalls sollten wir dennoch auf keinen Fall resignieren, denn wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren. Ich selber hoffe, dass ich irgendwo mit andern Betroffenen zusammen diese Zeit überstehen kann. Wenn weiterhin in diesem jeden Massstab verlorenen Ausmass aufgerüstet wird, kann es auch jene oder ihre Frauen und Kinder treffen, die heute bei solchen Veranstaltungen Ansichten von der Unschädlichkeit vertreten Ein Kollege sagte mir im Wissenschaftscafé, als wir allein drei Befürwortern und einer Moderatorin von dieser Seite gegenüberstanden, merkt ihr denn nicht, dass ihr auf der Siegerstrasse seid. Ein anderer sagt, dass es auch Hilfe von oben geben könne, die bei solchem Unrecht eingreife.
Das Programm zur erwähnten Veranstaltung findet man: http://www.kht.tugraz.at/program.pdf
Präsentationen: http://www.cost281.org/documents.php?no ... r_session=
Elisabeth Buchs
Impressionen von einer internationalen Konferenz der WHO in Graz, April 2006
„Emerging Technologies, Potential Sensitive Groups and Health”
Ein Bericht von Elisabeth Henschel aus Graz 20./21. April
Bereits in der Halle des Grazer TU Gebäudes, in dem die Konferenz unter Beteiligung von rund 70 Vertretern aus Wissenschaft und Industrie stattfindet, empfängt einen ein Infostand der Firma T-Mobile.
Richtet sich die Werbung des Mobilfunkunternehmens eigentlich an Studierende, so ist sie doch Vorzeichen für die gesamte Konferenz. Selbst renommierte Wissenschaftler ziehen gleich zu Anfang alle Register, um bereits publizierte Studien, die ein gesundheitliches Risiko der HF-Technologie belegen, zu diskreditieren. Die radikale Argumentation reicht von „nicht reproduzierbare“ oder „inkonsistente Ergebnisse“, „nicht auf den menschlichen Organismus übertragbar“ bis „wissenschaftlich oder klinisch nicht relevant“ (z.B. Vijayalaxmi, USA zur Gentoxizität) – Ausnahmen gibt es keine. Es seien keinerlei Effekte der neuen HF-Technologien auf den Organismus bekannt (Lin, USA). Neue Forschung würde das Gewicht der bisherigen Ergebnisse, die allesamt Risikofreiheit attestieren, nicht mehr verschieben können. Es gäbe ausschliesslich thermische Effekte, die aber im Rahmen der ICNIRP-Grenzwerte keine Probleme aufwerfen würden (Swicord et al., USA). Sogar von glücklichen Versuchstieren ist die Rede. Vom Auditorium wird all das unkommentiert hingenommen. Wenn da nur nicht das Problem wäre, dass auch immer mehr Studien Risiken belegen, die von der WHO, der EU, den Regierungen d.h. weitgehend finanziert von der Industrie, in Auftrag gegeben wurden.
So berichtet etwa Hansson Mild von einem „beunruhigenden“ Anstieg des Akustischen Neuronoms (Krebs). Der renommierte schwedische Professor wirkt dabei kleinlaut und entschuldigt sich beim Auditorium mit den Worten, es würde sich um eine sehr seltene Krankheit handeln. Auch andere Forscher, die Kritisches zu berichten wissen, halten sich in ihren Formulierungen vorsichtig zurück und tragen ganz leise vor: Kolodynski (Lettland) berichtet von der Zunahme der Nervosität bei Schulkindern unter EMF-Exposition. Smigielski et al finden in vitro Effekte auf das Immunsystem (Leukozyten und Lymphozyten) bereits bei Befeldung beträchtlich unter den ICNIRP-Grenzwerten. Vojtisek et al (Tschechische Republik) berichtet von hyperaktiven Ratten. Oezgür et al (Türkei) wie Tuschl et al (Oesterreich) stellen immerhin eine Wirkung auf das komplexe Immunsystem zur Diskussion, wobei aber immer wieder auf andere mögliche Einflussfaktoren hingewiesen wird. Leszcynski (Finnland), bekannter Grundlagenforscher im Bereich Genomics und Proteomics, mahnt an, dass ein neuer Ansatz in der Forschung notwendig sei, um diese anderen Faktoren auszuschliessen. Nur, dass missliebige Ergebnisse dann noch schlechter wegzudiskutieren wären.
Das Thema Risikokommunikation nimmt – wie immer bei derartigen Meetings – breiten Raum ein. Hier geht es um PR-Strategien, die darauf abzielen, Sorgen und Protest in der Bevölkerung abzuwiegeln. Dass hierfür ein Vertrauensbildungsprozess notwendig wäre, ist vielen klar. Aber auch welcher Basis kann dieses Vertrauen geschaffen werden?
Risikogruppen – auch wenn der Titel der Veranstaltung dies vermuten liesse – werden nicht ausgemacht, Elektrosensible einfach diskreditiert. Alte und Kinder? Aber wieso denn, der menschliche Körper ist doch robust. Der Fötus, ja der ist empfindlich, aber Bauchdecke und Fruchtwasser der Mutter schützen ihn ausreichend (Pessenhofer, Oesterreich). Nur einmal wird richtig gelacht im sonst so stillen Auditorium: als Pessenhofer auf die Frage, ab wann man ein Kind mobil telefonieren lassen könne, antwortet: „Nur bei der Geburt würde ich dem Säugling kein Handy an den Kopf halten“. Aber keine Sorge: Bis zum vierten und fünften Lebensjahr hat sich da alles ausgewachsen, meint der Referent.
Kommentar:
Manchmal möchte man bei solchen Veranstaltungen dabei sein können, um sich ein eigenes Bild zu machen. Was Frau Henschel berichtet, zeigt, dass von dieser Seite nicht viel in unserem Sinn zu erwarten sein wird, auch wenn es nachdenkliche Wissenschaftler zu geben scheint. Es ist mir unbegreiflich wie es bei den vielen Hinweisen und Erfahrungsberichten auf negative biologische Wirkungen von EMF Personen geben kann, welche die ICNRIP-Werte als genügenden Schutz für alle ansehen und Elektrosensible diskretieren. Solches lässt sich wohl vor allem durch die Finanzmacht der Mobilfunkindustrie erklären, dass die für sie richtigen Leute an den für sie richtigen Stellen platziert sind, auf die dann bei der Gesetzgebung abgestellt wird.
Können wir etwas dagegen tun und was? Wir sind meistens Laien, arbeiten ehrenamtlich, haben zuwenig Geld und Zeit, Betroffene noch zuwenig Kraft. Es ist ein enormes Kräfteungleichgewicht. Jedenfalls sollten wir dennoch auf keinen Fall resignieren, denn wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren. Ich selber hoffe, dass ich irgendwo mit andern Betroffenen zusammen diese Zeit überstehen kann. Wenn weiterhin in diesem jeden Massstab verlorenen Ausmass aufgerüstet wird, kann es auch jene oder ihre Frauen und Kinder treffen, die heute bei solchen Veranstaltungen Ansichten von der Unschädlichkeit vertreten Ein Kollege sagte mir im Wissenschaftscafé, als wir allein drei Befürwortern und einer Moderatorin von dieser Seite gegenüberstanden, merkt ihr denn nicht, dass ihr auf der Siegerstrasse seid. Ein anderer sagt, dass es auch Hilfe von oben geben könne, die bei solchem Unrecht eingreife.
Das Programm zur erwähnten Veranstaltung findet man: http://www.kht.tugraz.at/program.pdf
Präsentationen: http://www.cost281.org/documents.php?no ... r_session=
Elisabeth Buchs