Angestellten-Fichen bei Orange
Lausanne (sda) Der Telefonieanbieter Orange führt Fichen über Angestellte. Es handle sich um ein gebräuchliches Instrument der Personalführung, bestätigte Orange. Die Angestellten hätten ein Einsichtsrecht. Die Gewerkschaften sind empört.
Die angelegten Dossiers über die Mitarbeiter entsprächen nicht eigentlichen Fichen, wie die Westschweizer Sonntagszeitung «Le matin Dimanche» vermeldet habe, sagte Orange-Sprecherin Therese Wenger am Montag der Nachrichtenagentur sda. «Die Dossiers sind für den internen Gebrauch gedacht und alle Mitarbeiter haben das Recht die eigenen Einträge einzusehen», so Wenger.
Die Vorwürfe der Gewerkschaften entbehrten deshalb jeder Berechtigung. «Ausserdem gründen die von den Gewerkschaften unterstellten Verbindungen mit den 200 Entlassungen vom letzten Februar auf reinen Spekulationen», sagte Wenger.
Ende Januar hatte Orange den Abbau von 200 Arbeitsplätzen bekannt gegeben. Nach einem Monat mit Streikaktionen der Angestellten und der Gewerkschaften einigten sich die Sozialpartner auf einen verbesserten Sozialplan.
«Wie alle Unternehmen»
Orange respektiere das Eidg. Datenschutzgesetz. Es sei normal, so wie in allen anderen Unternehmen, dass man solche Personaldossiers führe.
Die Orange-Stellungnahme gerät dem Zentralsekretär der Gewerkschaft Kommunikaiton Christian Levrat in den falschen Hals: «Das ist wohl ein Scherz! Das zeigt ein weiteres Mal die amateurhafte Personalführung und Kommunikation bei Orange», empörte sich Levrat.
«Die wollen uns doch nicht weismachen, dass eine Frau, in deren Fiche steht, dass sie 'schwanger' ist und 'sofort nach dem Mutterschaftsurlaub zu entlassen' ist, Einsicht in dieses Dossier hat.»
Vor Arbeitsgericht
Er sei seit Februar über die Existenz der Fichen informiert, sagte Levrat weiter. Die Fichen würden nun von seiner Gewerkschaft in einigen Fällen von missbräuchlicher Kündigung gegen Orange vor Arbeitsgericht verwendet. In Lausanne und Zürich sind laut Levrat zehn solche Fälle hängig. Wenger dementierte dies.
Damit will sich die Gewerkschaft nicht begnügen und macht nun Druck auf das Bundesamt für Kommunikation (Bakom). Die Gewerkschaft könne auch an den Eidg. Datenschutzbeauftragten gelangen. Auf jeden Fall wolle er vom Bund ein detailliertes Rechtsgutachten, so Levrat.
Seitens des Eidg. Datenschutzbeauftragen ist die Rechtslage klar: «Wenn das Personal Zugang zu den Daten hat, wird das Gesetz nicht verletzt. Enthalten die Fichen aber nicht korrekte oder subjektive Einträge kann es Probleme geben», sagte der Sprecher des Datenschutzbeauftragen, Kosmas Tsiraktsopoulos.
Schadenersatz möglich
Sei dies der Fall, so müsse der Angestellte Klage einreichen. Das zentrale Problem sei aber anders gelagert: Die meisten Betroffenen seien bereits in gekündigter Stellung und könnten deshalb im besten Fall noch eine Schadenersatzzahlung erhalten.
Konkret müsse nun untersucht werden, ob ein Bezug zwischen den Entlassungen und den Einträgen in den Personaldossiers vorliege. Wenn dies der Fall sei, handle es sich um missbräuchliche Kündigungen. Hingegen sei die blosse Feststellung «Mitarbeiterin X ist schwanger» nicht rechtswidrig.
Beim Bakom wollte man zum vorliegenden Fall nichts sagen. Dieser Fall sein nicht in ihrer Kompetenz, da er das Arbeits- und das Datenschutzgesetz betreffe. Man sei deshalb zu keiner Stellungnahme befugt.
Notiz: In der Meldung bsd154 wurde durchgehend der Name von
Christian Levrat (statt falsch Leyvrat) korrigiert.
(SDA-ATS\/