Beitrag
von M. K. » 20. September 2003 21:49
Zur Einordnung des Technik-Journalisten FRITZ JÖRN, der fortlaufend im Ressort ‘Technik und Motor’ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt, die wöchentlich Handy- und anderen Funktechnologie-Neuerscheinungen huldigt und also völlig PRO Mobilfunk eingestellt ist, ein weiterer Artikel:
F.A.Z. vom 07.05.2002
Wie man den berüchtigten Elektrosmog selbst mißt
Schon der Begriff ist irreführend / Ein kleiner Detektor nimmt die Angst vor den Mobilfunk-„Strahlen" / Werte werden eher geschätzt
von FRITZ JÖRN
Wir waren gewarnt worden. Trotzdem machten wir uns mutig an einem sonnig-klaren Nachmittag auf den Weg hinaus in den Smog, den elektrischen, uns alle umgebenden. Das Meßgerät, das keines ist und sich
bescheiden „Detektorenempfänger" nennt, legten wir unauffällig auf Carlas Bettdecke in den Kinderwagen. So wurden wir bei unserer Sondierungstätigkeit nicht schief angesehen. Der Spaziergang war schön, das Ergebnis blamabel: Es fehlt der Smog!
Warum gibt es für Temperatur Thermometer, für Spannungen Voltmeter und in jedem Fotoapparat einen Belichtungsmesser, billig und gut, aber keine Meßgeräte für Elektrosmog? Das hatte uns seit der Beschäftigung mit diesem vielbeschworenen Gefahrenpotential gewurmt. Wir fanden einfache Magnetsonden, die angeblich die magnetische Feldstärke von Leitungen in der Wohnung messen, bessere Leitungsaufspürer für den Heimwerker. Die haben uns nicht interessiert. Wir wollten Hochfrequenz messen, solche von Handys und Schnurlostelefonen, von Basisstationen, Babyphonen und Bluetooth-Karten, von Mikrowellenherden und Funkfernthermometern. Da gibt es seriöse Geräte, hauptsächlich für den Arbeitsschutz von Antennenbauern gedacht, die waren unerschwinglich. So kostet das aktuelle, richtungsunabhängig (isotrop) messende EMR 20 von Narda (...) rund 4000 Euro - und zeigt doch kleinste Werte gar nicht an, wie sie in publikumsgeziemender Entfernung von Antennen auf den Straßen und Plätzen vorkommen.
Warum? Hochfrequenz ist erstens keine skalare Größe, sondern immer gerichtet, und wenn man die im Fernfeld (ein paar Wellenlängen weit weg von der Sendeantenne) entscheidende Leistungsflußdichte in Watt je Quadratmeter (W/m²)messen möchte, kann man keine quadratmetergroße Fahne aushängen und schauen, wie schmutzig sie wird. Die Werte schwanken, Sprünge in Zehnerpotenzen sind normal, und eher mißt einer die Wellen eines rasenden Modellmotorboots als Milliwatt je Quadratmeter (mW/m²). „Elektrosmog": Der Ausdruck ist verfehlt, denn echter Smog aus Nebel und Rauch baut sich langsam auf und ebenso langsam ab, ist die Summe von Verunreinigungen über die Zeit, dagegen verschwinden elektromagnetische Felder mit 300 000 km/s wie Licht, das ausgeknipst wird. Dazu kommt, daß der Strahlungsgrenzwert - samt Sicherheitsfaktor für das allgemeine Publikum - frequenzabhängig bei 5 bis 10 Watt je Quadratmeter (W/m²) liegt. Der vielgeschmähte Elektrosmog war in unserer ruhigen Stadt aber vielleicht 7 Millionstel Watt (mW) oder gänzlich Null, wenn wir dem getesteten Detektor glauben. Dessen Konstrukteur, Rober Mayr, hat sich besonders um die kleinen Werte bemüht. Liegt der Grenzwert eines Standardbriefs bei 20 Gramm, so vergleicht sich unser Versuch, Elektrosmog zu messen, mit einer Briefwaage auf 20 mg genau sein zu wollen. Von einer vernünftigen Messung von elektromagnetischem Smog mag man sich also getrost verabschieden, hauptsächlich, weil die Werte extrem niedrig und höllisch flüchtig sind.
Dennoch steuerten wir mit unserem rollenden Meßlabor vorsichtig - der blaue Detektor, etwa A6-groß und drei Zentimeter dick, kostet 415 Euro - einen Platz unter starken Mobilfunkantennen an: 150mW/m² maßen wir direkt darunter, gleich ob mit oder ohne Antenne am Detektor, und eben ganz grob und schwankend von 70 bis 300.
10 mW hatten wir im alten Friedhof, an manchen Gräbern 30, ja 50 mW; 1 mW oder gar keines gab es nachher in der Altstadt und später bei uns im Keller. Doch kaum wird man drahtlos angerufen, spielt der Detektor verrückt, zieht ganz kurz hoch auf bis zu 100 mW, also auf das Tausendfache des Ruhesmogwerts und immer noch tausendfach unter den Grenzwerten. Beim eigentlichen Gespräch bleiben aber auch hier die Werte stark unter wenigen mW, jedenfalls in einem Meter Abstand. Der Detektor zeigt zuverlässig Funkaktivität in der Nähe, besonders, wenn man sie in Form eines „sprechenden" Handys oder Schnurlostelefons direkt daneben legt. Die zwei Detektiv-Bereiche, 0 bis 2000 mW/m² und 0 bis 2000 mW/m², überlappen sich, und trotzdem kann es passieren, daß der Wert über 2000 mW/m² liegt und doch noch nicht im oberen Bereich meßbar ist. So genau darf man das nicht nehmen.
Der eingebaute Lautsprecher hilft durch Schwenken des Geräts das Maximum herauszuholen, und läßt einen bei einem Mobilfunkanruf aufhorchen. In einem Meter Abstand hatten wir kurzzeitig bis zu 30 mW beim Handy und bis zu 500 mW bei Dect-Telefonen und 10 Zentimeter nahe bis zu 1000 mW oder unter 1 mW. Aber auch der Mikrowellenherd bringt es auf 1000 mW/m², am Tisch vor der Sichtscheibe wohlgemerkt, gleichgültig, auf welche Wattzahl er eingestellt ist. So entdeckten wir, daß er bei verminderter Leistung nur zwischendurch pausiert, in seinen brummigen Aktivitätsphasen deshalb aber keineswegs weniger strahlt. Seine relativ starke, mit dem Handy vergleichbare Strahlung und andererseits die gegenüber den Erwartungen geringe von Schnurlostelefonen haben uns verwundert. Und wer legt schon sein Ohr an die Mikrowellenherdscheibe? Bluetooth übrigens, jedenfalls die übliche Variante zum strippenlosen Handyanschluß, bringt überhaupt keinen Mehrausschlag. Wir scheuten keine Kosten und haben sogar echtes UMTS gemessen. Dieses künftige, gleichmäßig strahlende universelle Mobiltelekommunikationssystem brachte es an einem ersten Handy auf 1200 mW.
Mayrs unabgeschirmtes Detektorgerät seiner „ROM-Elektronik" ist rührend schlicht - bis auf die innen von den vier ICs abgeschmirgelten Bezeichnungen. Bescheiden behauptet Mayr in der fotokopierten Bedienungsanleitung nirgends, sichere Meßwerte zu bringen, im Gegenteil: Die „hochfrequente Situation" wird nur „schnell und einfach abgeschätzt." Das normalerweise mittelwertbildende Gerät gibt es auch mit laufender Spitzenwertbestimmung (plus 90 Euro), denn die Puls-Ängstlichen möchten diesen sehen und nicht den vorschriftsmäßigen und für Wärmewirkungen einzig sinnvollen Mittelwert. Bei den ohnehin riesigen Schwankungen lohnt sich das nicht, schon gar nicht die Variante mit Spitzenwert-Mittelwert-Umschalter (weitere 58 Euro). Auch das optionale Radom (375 Euro) klingt geheimnisvoll, sieht aus wie ein beim Waschen gebleichtes und geschrumpftes Plastik-Warndreieck und ist eher unnötig, will man nicht unbedingt die Richtung zum Sender (längs der Fläche) herausfinden. Selbst ein extra Kopfhörerausgang kostet 90 Euro mehr. Doch wer sich wirklich beruhigen (oder beunruhigen) möchte, wer den Smog, der keiner ist, ansatzweise sehen will, ohne ihn gleich präzise messen zu können, der mag sich das Gerät leisten. Im Lautsprecher hört man während Telefonaten das bekannte Mobilfunkmeckern. Das wenigstens klingt gefährlich wie eh und je.
© Frankfurter Allgemeine Zeitung
nur zur privaten Nutzung