Mobilfunk-Anbieter sponsern Handy-Strahlenforschung
Verfasst: 14. Juni 2019 17:54
Mobilfunk-Anbieter sponsern Handy-Strahlenforschung
Kurt Marti / 14. Jun 2019 - Swisscom und Sunrise finanzieren eine Stiftung, die bezweckt, «interessenneutrale» Fakten zur Mobilfunkstrahlung zu vermitteln.
«Ich verstehe den ganzen Mais um das 5G nicht ganz», erklärte der ETH-Professor Jürg Leuthold neulich im Talk Täglich von Tele Züri. Und setzte gleich noch einen drauf: Das einzig Gefährliche an 5G sei «die Angst vor 5G». Denn 5G bringe «viele Vorteile». Das sollte man «einmal ganz neutral vom Fachlichen anschauen». Dann werde man sehen, «es ist eigentlich ein Schritt vorwärts in die richtige Richtung».
Swisscom-Vertreter sitzt im Stiftungsrat
Ganz neutral? ETH-Professor Leuthold, der in letzter Zeit auf allen Kanälen für die neue 5G-Technologie weibelt, ist Leiter des ETH-Instituts für Elektromagnetische Felder. Gleichzeitig sitzt er im Stiftungsrat der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation, die von den Mobilfunk-Anbietern Swisscom und Sunrise sowie von der Schweizer Stromnetzgesellschaft Swissgrid gesponsert wird und die ihren Sitz in Leutholds Institut für Elektromagnetische Felder hat.
Neben den Sponsoren wird die Stiftung von zahlreichen Trägern und Gönnern ideell oder finanziell unterstützt, beispielsweise auch vom Telekom-Lobbyverband asut. Zudem sitzt im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, deren Zweck unter anderem die «interessenneutrale Vermittlung von Forschungsfakten» ist, neben ETH-Professor Leuthold auch der Swisscom-Strahlungsexperte Hugo Lehmann.
Anlässlich der Informationsveranstaltung «Science Brunch» der Forschungsstiftung zum Thema «Smarte Antennen - Chancen und Herausforderungen für 5G» stimmten Leuthold und Lehmann gemeinsam ein Loblied auf die Verheissungen der 5G-Technologie an. Zu den «Science Brunches», die zweimal jährlich stattfinden, werden rund 50 VertreterInnen aus Politik, Behörden, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie Wissenschaft «persönlich eingeladen», wie es auf der Internetseite der Forschungsstiftung heisst.
An einem weiteren «Science Brunch» der Stiftung stellte Leuthold die Frage: «Was kommt nach 4G?» Seine lapidare Antwort lautete: «6G». Es folgte ein Werbespot über die Möglichkeiten der neuen Mobilfunk-Generation. Ins gleiche Horn blies an derselben Veranstaltung Felix Kamer, Vize-Präsident von Huawei Schweiz, und gab die Zukunftswünsche des chinesischen Telekom-Riesens zum Besten.
Die nächste Veranstaltung der Forschungsstiftung findet nächsten Dienstag und Mittwoch im Hauptgebäude der ETH in Zürich statt. Die Begrüssungsrede für den Workshop «Millimeterwellen –Stand der Forschung» hält – man darf dreimal raten – niemand anders als der Swisscom-Mann Hugo Lehmann.
Auch ein Berater des Bundes sass jahrelang im Stiftungsrat
Neben dem ETH-Professor Jürg Leuthold und dem Swisscom-Vertreter Hugo Lehmann sass auch der Umwelt-Epidemiologe Martin Röösli im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, und zwar von 2011 bis vor kurzem. Röösli lehrt am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut der Universität Basel und leitet die beratende Expertengruppe NIS (Berenis) des Bundes. Erstaunlicherweise sass Röösli nicht nur im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, sondern sein Name steht auch auf der Liste der geförderten Forschungsprojekte.
Die Forschungsstiftung ist auch in der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung vertreten, die im Auftrag des Bundesrats bis Mitte 2019 einen Bericht abliefern soll, der «die Bedürfnisse und Risiken beim Aufbau von 5G-Netzen analysieren und Empfehlungen abgeben» soll.
Der Name des Experten der Forschungsstiftung ist im Mandat des Bundesrats erstaunlicherweise eingeschwärzt, ebenfalls der Name des Experten mit den Funktionsbezeichnungen «Beratende Expertengruppe NIS (Berenis) und Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut Swiss TPH».
Ausschnitt aus dem Mandat des Bundesrats an die Arbeitsgruppe Mobilfunk mit zwei eingeschwärzten Experten
Zweifel an der Unabhängigkeit werden verscheucht
Um die Glaubwürdigkeits-Zweifel an der von der Stiftung finanzierten Forschung trotz des Sponsorings der Mobilfunk-Anbieter zu verscheuchen, werden die Forschungsgelder nicht vom Stiftungsrat vergeben, sondern von einem wissenschaftlichen Ausschuss aus lauter VertreterInnen der Hochschulen (siehe Organigramm).
Auf der Internetseite der Forschungsstiftung heisst es dazu: «Diese Firewall gewährleistet die absolute Unabhängigkeit aller Förderentscheide.» Und aus der Feder des Präsidenten des wissenschaftlichen Ausschusses, Professor Peter Achermann von der Universität Zürich, tönt das dann im Jahresbericht 2017 so: «Es ist mir wichtig zu betonen, dass der wissenschaftliche Ausschuss in seiner Entscheidung völlig frei ist und in keiner Weise durch die Sponsoren beeinflusst wird. Nur unabhängige Forschung ist glaubwürdig.»
Klimaforschung gesponsert von der Erdölvereinigung?
Die Finanzierung der Forschungsstiftung durch die Mobilfunk-Anbieter Swisscom und Sunrise nagt an der Glaubwürdigkeit der von ihr finanzierten Forschung, auch wenn darüber ein rein wissenschaftlicher Ausschuss entscheidet.
Was würde wohl die kritische Öffentlichkeit sagen, wenn die Klimastudien der Schweizer Hochschulen von einer Stiftung mitfinanziert würde, die von der Erdölvereinigung und von Auto Schweiz alimentiert würde und in deren Stiftungsrat die Lobbyisten der fossilen Energien sässen? Wenn dann die Klimaforscher auch noch mit den fossilen Lobbyisten gemeinsam öffentlich aufträten, würde das dem Fass den Boden endgültig ausschlagen.
Statt die Forschung zum Mobilfunk innerhalb der öffentlich finanzierten Forschung zu tätigen, erweisen sich die Hochschulforscher mit einer Finanzierung durch Swisscom und Sunrise einen Bärendienst. Denn unabhängig davon, ob ihre Forschungsresultate neutral oder nicht neutral sind, bleibt der Zweifel an deren Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit.
Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors
keine
Siehe: https://www.infosperber.ch/Artikel/Poli ... nforschung
Kurt Marti / 14. Jun 2019 - Swisscom und Sunrise finanzieren eine Stiftung, die bezweckt, «interessenneutrale» Fakten zur Mobilfunkstrahlung zu vermitteln.
«Ich verstehe den ganzen Mais um das 5G nicht ganz», erklärte der ETH-Professor Jürg Leuthold neulich im Talk Täglich von Tele Züri. Und setzte gleich noch einen drauf: Das einzig Gefährliche an 5G sei «die Angst vor 5G». Denn 5G bringe «viele Vorteile». Das sollte man «einmal ganz neutral vom Fachlichen anschauen». Dann werde man sehen, «es ist eigentlich ein Schritt vorwärts in die richtige Richtung».
Swisscom-Vertreter sitzt im Stiftungsrat
Ganz neutral? ETH-Professor Leuthold, der in letzter Zeit auf allen Kanälen für die neue 5G-Technologie weibelt, ist Leiter des ETH-Instituts für Elektromagnetische Felder. Gleichzeitig sitzt er im Stiftungsrat der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation, die von den Mobilfunk-Anbietern Swisscom und Sunrise sowie von der Schweizer Stromnetzgesellschaft Swissgrid gesponsert wird und die ihren Sitz in Leutholds Institut für Elektromagnetische Felder hat.
Neben den Sponsoren wird die Stiftung von zahlreichen Trägern und Gönnern ideell oder finanziell unterstützt, beispielsweise auch vom Telekom-Lobbyverband asut. Zudem sitzt im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, deren Zweck unter anderem die «interessenneutrale Vermittlung von Forschungsfakten» ist, neben ETH-Professor Leuthold auch der Swisscom-Strahlungsexperte Hugo Lehmann.
Anlässlich der Informationsveranstaltung «Science Brunch» der Forschungsstiftung zum Thema «Smarte Antennen - Chancen und Herausforderungen für 5G» stimmten Leuthold und Lehmann gemeinsam ein Loblied auf die Verheissungen der 5G-Technologie an. Zu den «Science Brunches», die zweimal jährlich stattfinden, werden rund 50 VertreterInnen aus Politik, Behörden, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie Wissenschaft «persönlich eingeladen», wie es auf der Internetseite der Forschungsstiftung heisst.
An einem weiteren «Science Brunch» der Stiftung stellte Leuthold die Frage: «Was kommt nach 4G?» Seine lapidare Antwort lautete: «6G». Es folgte ein Werbespot über die Möglichkeiten der neuen Mobilfunk-Generation. Ins gleiche Horn blies an derselben Veranstaltung Felix Kamer, Vize-Präsident von Huawei Schweiz, und gab die Zukunftswünsche des chinesischen Telekom-Riesens zum Besten.
Die nächste Veranstaltung der Forschungsstiftung findet nächsten Dienstag und Mittwoch im Hauptgebäude der ETH in Zürich statt. Die Begrüssungsrede für den Workshop «Millimeterwellen –Stand der Forschung» hält – man darf dreimal raten – niemand anders als der Swisscom-Mann Hugo Lehmann.
Auch ein Berater des Bundes sass jahrelang im Stiftungsrat
Neben dem ETH-Professor Jürg Leuthold und dem Swisscom-Vertreter Hugo Lehmann sass auch der Umwelt-Epidemiologe Martin Röösli im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, und zwar von 2011 bis vor kurzem. Röösli lehrt am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut der Universität Basel und leitet die beratende Expertengruppe NIS (Berenis) des Bundes. Erstaunlicherweise sass Röösli nicht nur im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, sondern sein Name steht auch auf der Liste der geförderten Forschungsprojekte.
Die Forschungsstiftung ist auch in der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung vertreten, die im Auftrag des Bundesrats bis Mitte 2019 einen Bericht abliefern soll, der «die Bedürfnisse und Risiken beim Aufbau von 5G-Netzen analysieren und Empfehlungen abgeben» soll.
Der Name des Experten der Forschungsstiftung ist im Mandat des Bundesrats erstaunlicherweise eingeschwärzt, ebenfalls der Name des Experten mit den Funktionsbezeichnungen «Beratende Expertengruppe NIS (Berenis) und Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut Swiss TPH».
Ausschnitt aus dem Mandat des Bundesrats an die Arbeitsgruppe Mobilfunk mit zwei eingeschwärzten Experten
Zweifel an der Unabhängigkeit werden verscheucht
Um die Glaubwürdigkeits-Zweifel an der von der Stiftung finanzierten Forschung trotz des Sponsorings der Mobilfunk-Anbieter zu verscheuchen, werden die Forschungsgelder nicht vom Stiftungsrat vergeben, sondern von einem wissenschaftlichen Ausschuss aus lauter VertreterInnen der Hochschulen (siehe Organigramm).
Auf der Internetseite der Forschungsstiftung heisst es dazu: «Diese Firewall gewährleistet die absolute Unabhängigkeit aller Förderentscheide.» Und aus der Feder des Präsidenten des wissenschaftlichen Ausschusses, Professor Peter Achermann von der Universität Zürich, tönt das dann im Jahresbericht 2017 so: «Es ist mir wichtig zu betonen, dass der wissenschaftliche Ausschuss in seiner Entscheidung völlig frei ist und in keiner Weise durch die Sponsoren beeinflusst wird. Nur unabhängige Forschung ist glaubwürdig.»
Klimaforschung gesponsert von der Erdölvereinigung?
Die Finanzierung der Forschungsstiftung durch die Mobilfunk-Anbieter Swisscom und Sunrise nagt an der Glaubwürdigkeit der von ihr finanzierten Forschung, auch wenn darüber ein rein wissenschaftlicher Ausschuss entscheidet.
Was würde wohl die kritische Öffentlichkeit sagen, wenn die Klimastudien der Schweizer Hochschulen von einer Stiftung mitfinanziert würde, die von der Erdölvereinigung und von Auto Schweiz alimentiert würde und in deren Stiftungsrat die Lobbyisten der fossilen Energien sässen? Wenn dann die Klimaforscher auch noch mit den fossilen Lobbyisten gemeinsam öffentlich aufträten, würde das dem Fass den Boden endgültig ausschlagen.
Statt die Forschung zum Mobilfunk innerhalb der öffentlich finanzierten Forschung zu tätigen, erweisen sich die Hochschulforscher mit einer Finanzierung durch Swisscom und Sunrise einen Bärendienst. Denn unabhängig davon, ob ihre Forschungsresultate neutral oder nicht neutral sind, bleibt der Zweifel an deren Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit.
Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors
keine
Siehe: https://www.infosperber.ch/Artikel/Poli ... nforschung