Evidenz entsteht durch statistische Auswertung von einzelnen Experimenten, und durch Aggregation der Einzel-Ergebnisse in Metastudien, also in Studien, welche eben andere Studien untersuchen. Das steht in dem von Ihnen verlinkten Spiegel-Online-Artikel geschrieben. Weiterhin wird dort speziell für Psychopharmaka gezeigt, welche äusseren Einflüsse zu Verzerrungen in den Einzel- und damit auch in den Metastudien führen können.
Zu EMF-Stress gibt es eine ganz spezielle Evidenz zu einem Scheinbeweis für die Nichtexistenz biologischer Effekte, nämlich dass EMF-Geschädigte Mikrowellen nicht sinnlich wahrnehmen. Hierzu gab zahlreiche randomisierte (mit zufälliger Zuordnung von Probanden und Kontrollgruppe zur Behandlung) und doppelblind (wie streng man das immer versteht) durchgeführte Einzelstudien, und namentlich die Metastudie von J. James Rubin, auf welche Repacholis sich in seinem WHO-Fact-Sheet 296 bezieht.
"Though this be madness, yet there is method in’t.” („Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode“, Shakespeare, Hamlet). Randomisiert und doppelblind ist grundsätzlich die richtige Methode, aber toll angewandt.
Das Nicht-"Wissen" zu EMF-Effekten wurde vor allem aus „Forschung“ zu Mobilfunkfrequenzen gewonnen, weil Mobilfunker die meisten Studien der Verdünnungsstrategie gefördert haben. Es wird aber unterschiedslos auf auf alle anderen EMF-Immissionen übertragen, z.B. auf Vorschaltgeräte von Fluoreszenzbeleuchtung, auf die Subsysteme von Computern, auf DECT-Basen etc.
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Für die speziell Interessierten: Ich habe den originalen Begleittext zur Darstellung der Forschungsphasen wieder gefunden, in
http://www.gsmworld.com/health/programs ... cess.shtml , dort findet sich auch das Flussdiagramm.
Ich habe ihn relativ frei von Englisch in Deutsch übersetzt.
Speziell in Phase 8 ist dort auch die Rede von der Evidenz.
Der wissenschaftliche Prozess
Der wissenschaftliche Prozess folgt einem bestimmten Pfad von der Hypothese (Idee) bis zum anerkannten Wissen. Man kann Schritte überspringen und direkt zu einem Ergebnis gelangen, aber die Schlussfolgerungen sind ohne Belege aus verlässlichem Experimentieren weniger sicher.
1. Beobachtungen: Die Identifizierung einer konkreten Idee ist immer der erste Schritt. Dieses kann eine originelle Idee, das Ergebnis von anderer Hintergrundforschung oder manchmal von anekdotischen Berichten sein, aber es muss ordentlich identifiziert und eindeutig definiert sein.
2. Hypothese: Die Hypothese kann am besten als vorläufige Theorie oder Arbeitshypothese umschrieben werden. Die Hypothese basiert auf Forschung, die herausfinden soll, was bereits über die Beobachtung bekannt ist. Mit der Hypothese werden Voraussagen über wahrscheinliche Effekte getroffen, die dann durch ein Experiment getestet werden können.
3. Experiment: Die Durchführung eines gut konzipierten Experiments ist der wichtigste Schritt des Prozesses. In dieser Phase wird viel Mühe in das richtige Design gesteckt, und in die möglichst vollständige Kontrolle über den Versuch, so dass andere externe Faktoren ("Confounder") das Ergebnis nicht beeinflussen können. Die gesammelten Daten werden analysiert, und die Hypothese wird abgelehnt oder geändert, wenn sie nicht durch die experimentellen Ergebnisse unterstützt wird.
4. Konferenz-Berichterstattung: Die Forscher können die vorläufigen Ergebnisse auf Konferenzen berichten, um ihr Wissen zu teilen und um Feedback zu erhalten. Gestützt auf das Feedback können die Hypothese oder das Experiment revidiert werden. Zwischenergebnisse, die auf Konferenzen präsentiert werden, wurden noch nicht in einer Peer Review begutachtet und sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden.
5. Peer Review: In der Peer-Review zum Design und zu den Ergebnissen der Studie prüfen einer oder mehrere Gutachter mit Fachkenntnissen. Die Gutachter werden vom Herausgeber der Zeitschrift, in der die Studie publiziert werden soll, ausgewählt, und die Begutachtung wird in der Regel anonym durchgeführt. Eine Peer Review ist wichtig für die Qualitätskontrolle von behaupteten Forschungsergebnissen und schützt das Ansehen des Wissenschaftlers und der wissenschaftlichen Zeitschrift. Der Gutachter kann dem Herausgeber der Zeitschrift die Annahme, Änderung oder Ablehnung einer Forschungsarbeit empfehlen. Der Prozess der Einreichung, Beurteilung, Änderung und Wiedervorlage der Studie kann mehrere Monate dauern.
6. Publikation: Nach der Annahme der Arbeit durch den Herausgeber der Zeitschrift wird diese zur Veröffentlichung vorbereitet und einer künftigen Ausgabe der Zeitschrift zugeordnet. Zunehmend werden einmal akzeptierte Forschungsarbeiten bereits vor dem Druck online zur Verfügung gestellt. Nach dem Erscheinen können andere Wissenschaftler die Ergebnisse in einer schriftlichen Anfrage an die Zeitschrift kommentieren, und es liegt an den Forschern, ob sie Stellung nehmen oder nicht. Eine Publikation in einem peer-reviewed journal bietet einige Gewissheit, dass die Studie ordentlich durchgeführt wurde. Viele öffentliche Gesundheits-Risikobewertungen nutzen dieses als eine Schwelle vor der Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Allerdings ist nicht alle publizierte Forschung ohne Mängel, und die Qualität der Gutachten variiert von Zeitschrift zu Zeitschrift.
7. Replikation: Die Ergebnisse können auch durch unabhängige Replikation getestet werden. Unabhängige Replikation ist von wesentlicher Bedeutung, wenn die Effekte von möglichem persönlichem und experimentellem Bias minimiert werden sollen. Die Nachfolgestudien können versuchen, die ursprüngliche Studie zu duplizieren (direkte Replikation) oder versuchen, einige Aspekte der experimentellen Bedingungen zu verbessern (Bestätigungsstudie). Wenn die Original-Ergebnisse bestätigt worden sind erhält die Hypothese grösseres Gewicht, und die ursprünglichen Ergebnisse erhalten viel grössere Glaubwürdigkeit.
8. Anerkanntes Wissen: Um zu einem wissenschaftlichen Konsens zu gelangen, werden die Ergebnisse vieler Experimente verglichen durch einen Ansatz von Gewichtung von Beweiskraft („weight of evidence“) . Dieses ist nicht einfach ein Zählen von Publikationen, sondern einzelne begutachtete Studien werden untersucht und ihre Stärken und Schwächen werden festgestellt. Dieses ermöglicht einen gesamthaften Schluss zur Stärke der Beweiskraft für die Hypothese und einen Konsens zu dem, was als anerkanntes Wissen zu einem Thema gilt. Allerdings ist die Wissenschaft nicht statisch und sogar etablierte Theorien können durch neue experimentelle Befunde, welche durch die wissenschaftliche Methodik gewonnen wurden, in Frage gestellt werden.
Die wissenschaftliche Methode ist der verlässlichste Weg zur Mehrung unseres Wissens. Dennoch bleibt die wissenschaftliche Forschung, wie alle anderen menschlichen Tätigkeiten, anfällig auf potenzielle Fehler, auf persönliche Meinungen und auf Unsicherheiten. Beim Abwägen von Beweisen für mögliche gesundheitliche Auswirkungen ziehen die die Wissenschaftler verschiedene Aspekte in Betracht, bevor sie ihre Schlüsse ziehen.
So steht beschrieben, wie es
sein sollte. Das ist alle gut und richtig, auch wenn es aus einer Mobilfunkerseite stammt. Ich habe in den letzten paar Beiträgen geschrieben, wie es in Bioelectromagnetics
ist.