8. Lerchls explizite Antworten auf explizit gestellte Fragen
Die explizit gestellten Fragen an den Wissenschaftler waren: Gibt es athermische Effekte von EMF, speziell auf den Melatoninspiegel? Gibt es besondere Wirkungen der Pulsung (von GSM)?
Im Abschlussbericht an das DMF ( http://www.emf-forschungsprogramm.de/fo ... 020_AB.pdf ) schrieb Lerchl zur Melatoninhypothese :
„Die Daten unterstützen nicht die „Melatoninhypothese“, nach der es nach nichtthermischer Exposition zu elektromagnetischen Feldern zu einer verringerten Melatoninproduktion kommen sollte.”
Diese Antwort scheint beim ersten Lesen korrekt formuliert zu sein. Aber bei zweiten Lesen fällt auf:
- Das Wort „Daten“ suggeriert, dass es eine ernsthafte und umfassende Suche nach und Erhebung von Daten zum Melatoninspiegel bei Exposition und ohne Exposition gegeben habe. Wie wir gesehen haben, trifft diese suggerierte ernsthafte Suche in überhaupt keiner Weise zu, so dass eine Bestätigung der Melatoninhypothese mit der von Lerchl gewählten Form des Experiments von Anfang an sehr unwahrscheinlich war.
- Die Wörter „Melatoninhypothese“ und „Melatoninproduktion“ suggerieren eine Untersuchung der gesamten Steuerungs- und Produktionskette der Melatoninproduktion. Wie wir gesehen haben, wurde jedoch nur das von allen anderen Elementen der Kette isolierte Pinealorgan geprüft.
- Der Ausdruck „elektromagnetische Felder“ suggeriert, dass mindestens ein grosser Teil der für biologische Effekte in Frage kommenden EMF untersucht worden sei. Wie wir gesehen haben, wurde aus allen jenen Frequenzbereichen, zu denen Wirkungen berichtet werden, nur eine einzige Frequenz untersucht. Pikant ist, dass die kommerzielle technische Anwendung der untersuchten Frequenz, nämlich exakt 1‘800 MHz, nicht einmal erlaubt ist.
- Der Ausdruck „nichtthermische Exposition“ scheint klar definiert zu sein, er ist es aber seit Lerchls Studie nicht mehr, bzw. seit Lerchl den thermischen Bereich schlaumeierisch ausgeweitet hat um eine sub-thermische bzw. minimal-thermische Zone.
Bei der wiederholten Lektüre von Lerchls Bericht an das DMF habe ich jetzt eine Art von Erklärung zu Lerchls Begriff „sub-thermisch“ wiedergefunden: „Dennoch ist der Befund insofern interessant, als keine plausiblen Mechanismen bekannt sind, die ihn erklären könnten, abgesehen von der möglichen minimal-thermischen Beeinflussung.“ Mit sub-thermisch meint Lerchl also in Klartext „an der unteren Grenze von thermisch“. Hinter seinen Wortschöpfungen „sub-thermisch“ sowie gleichbedeutend „minimal-thermisch“ versteckt Lerchl gleichzeitig, dass seine Zuordnung der Effekte bei 0,8 W/kg bzw. 0,6°C zum thermischen Bereich nicht auf einer Untersuchung des thermischen oder athermischen Wirkungsmechanismus beruht, wie ihm von der Leitung des DMF eigentlich aufgetragen wurde, sondern auf einer eigenwilligen Interpretation der willkürlichen Definition der industrienahen ICNIRP von 1,0°C Erwärmung von exponiertem Körpergewebe.
Im Abschnitt „Bewertung der Ergebnisse“ deutet Lerchl an, dass grenzwertige EMF im Grunde wie Medizin wirken: „[…] bleibt festzuhalten, dass es bei 800 mW/kg SAR zu einer offenbar sub-thermischen Reaktion der Pinealorgane gekommen ist […]Die Richtung der Reaktion (Erhöhung der Melatoninsynthese) spricht jedenfalls gegen die Melatoninhypothese, nach der die Melatoninsynthese nach MF- bzw. EMF-Exposition ja sinken soll. Es sind […] keine negativen Effekte von einer höheren Melatoninsynthese bekannt, so dass diese Daten in keiner Weise für die Existenz eines negativen Effektes auf die Gesundheit sprechen.“
Lerchl hielt sich zurück, hier dick aufzutragen. Das Ergebnis bei 0,8 W/kg hätte er nämlich explizit auch in der Richtung deuten können, dass grenzwertige Mobilfunk-EMF die Melatoninproduktion anregen und folglich gesund seien, ja geradezu als Medizin gegen die mit der Alterung nachlassende Melatoninproduktion verschrieben werden könnten oder sollten. Durch die zurückhaltende Ausdrucksweise vermied er es, in eine Reihe mit anderen Hoaxes gestellt zu werden, wie dem Alzheimer-EMF-Hoax ( http://gigaherz.ch/pages/posts/handys-h ... er1577.php ) und der Behauptung eines Tabakwissenschaftlers, Tabakteer würde die Lungen der starken Raucher gegen Umweltschmutz imprägnieren.
Dennoch, die unterschwellige Mitteilung, dass wenn EMF biologische Wirkungen hätten, dann seien dies positive Wirkungen, ist wohl bei vielen angekommen.
(Man könnte hier auch noch darüber philosophieren, ob ein Lob für grenzwertige EMF als Anreger der Melatoninproduktion den Vertrieb von synthetischem Melatonin, in den Lerchl am Rand involviert ist ( http://www.bioclocks-laboratories.de/index.html ), hätte beeinträchtigen können …)
Zum möglichen Effekt der Pulsung äussert sich Lerchl in der englischsprachigen Studie (möglicherweise illegale Kopie in www.upkh.hr/doc/Article%20in%20JPR.pdf ) wie folgt (übersetzt durch Wuff): „Der Trend zu vermehrtem Melatoninausstoss während der 0,8 W/kg Exposition war unabhängig von der Mobilfunk-EMF-Modulation (d.h. kontinuierlich oder gepulst) zu sehen. Dieses Ergebnis legt eher einen allgemeinen Einfluss von Mobilfunk-EMF nahe als eine Bedeutung der Signal-Modulation …“
- Lerchl schreibt von gepulster EMF-Modulation des Mobilfunks, während er gleichzeitig die Charakteristik der von ihm verwendeten gepulsten EMF verschweigt.
- Lerchl macht glauben, die Pulsung im Experiment sei vergleichbar gewesen mit der Pulsung echter Mobilfunk-EMF.
- Wir haben jedoch gesehen, dass die Leistungs-Spitzenwerte von Lerchls gepulsten EMF nur um circa 15 Prozent von der Leistung der kontinuierlichen Strahlung abwichen, während beispielsweise die Spitzenwerte von DECT-Basisstationen das Hundertfache des Durchschnittswerts betragen, und die Spitzenwerte der Mobiltelefon ungefähr das Siebenfache.