Endokrinologische EMF-Studie von Lerchl: Retraktion

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Endokrinologische EMF-Studie von Lerchl: Retraktion

Beitrag von Wuff » 17. Mai 2014 18:13

Endokrinologische EMF-Studie von Lerchl: Retraktion

Die Studie: 1. Englische Version


Die Studie, um deren Retraktion es hier geht, wurde 2005 erstmals im angesehenen wissenschaftlichen „Journal of Pineal Research“, sinngemäss „Journal zur Zirbeldrüsenforschung“, publiziert. Die Zirbeldrüse ist der Teil des Pinealsystems, der das Hormon Melatonin, (N-[2-(5-Methoxyindol-3-yl) ethyl]acetamid, bzw. C13H16N2O2) produziert.

Zunächst bringen wir die Angaben zur Identifikation, zur Publikation und zur Verfügbarkeit der Studie:

Titel: 1800 MHz electromagnetic field effects on melatonin release from isolated pineal glands

Autoren: Irina Sukhotina[1,2], Joachim R. Streckert[3], Andreas K. Bitz[3], Volkert W. Hansen[3] and Alexander Lerchl[1]

Institutionen der Autoren: [1]School of Engineering and Science, International University Bremen, Bremen, Germany; [2]Valdman Institute of Pharmacology, Pavlov Medical University, St Petersburg, Russia; [3]Chair of Electromagnetic Theory, University of Wuppertal, Wuppertal, Germany

Journal: Journal of Pineal Research, Volume 40, Issue 1, pages 86–91, January 2006 (abgekürzt: J. Pineal Res. 2006; 40:86–91)

Datum: erstmalige Publikation am 9. November 2005

Verlag: Blackwell Munksgaard, heute: Wiley-Blackwell, Hoboken, N.J., ( http://eu.wiley.com/WileyCDA/ , http://de.wikipedia.org/wiki/Wiley-Blackwell )

DOI: 10.1111/j.1600-079X.2005.00284.x (Der doi ist wichtig für Retraktionen, siehe viewtopic.php?p=67155#67155 )

Volltext der Studie: http://www.upkh.hr/doc/Article%20in%20JPR.pdf (möglicherweise halb- oder illegale Kopie auf einer kroatischen Mobilfunker-Website, jedenfalls seit vielen Jahren dort)

Pubmed Eintrag: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16313503 (Pubmed ist eine Abteilung der amerikanischen Behörde National Center for Biotechnlogy Information ( http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ ) der Nationalen Gesundheitsinstitute und erfasste bisher mehr als 23 Millionen biomedizinische Studien, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed )

Abstract beim Verlag: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1 ... x/abstract

Wuff

Gründe für die Retraktion

Beitrag von Wuff » 20. Mai 2014 18:40

Gründe für die Retraktion:

Schwere biologische Fehler im Design des Experiments verunmöglichen, aus dem Experiment überhaupt erst einmal nur eine vernünftige und damit möglicherweise auch die richtige Antwort zur Hypothese zu generieren. Das Experiment ist darüber hinaus so aufgebaut, dass es suggeriert, es existierten nur thermische aber keine athermischen Effekte von EMF.

Die Hypothese zur Fragestellung lautet: Schwache EMF wie diejenigen von GSM-Mobilfunk beeinträchtigen die Funktionen des Melatoninsystems beim Menschen.

Lerchl amputierte vom Melatoninsystem des von ihm als Modellorganismus gekürten Dsungarischen Hamsters die gesamten Steuerungs- und Regelungselemente, was er im Resultat als „isolierte Pinealorgane“ bezeichnete. Lerchl beliess vom gesamten Melatoninsystem einzig das Organ mit den Pinealzellen, welche Melatonin synthetisieren.

Diese Versuchsanordnung ist aus zwei einfachen Hauptgründen nicht geeignet für die Beantwortung der Melatoninhypothese:
  • Beim Menschen ist die das Pinealorgan auf Grund seiner Lage in der Mitte des Schädels bzw. Kopfes durch eine mehrere Zentimeter dicke Schicht wässeriger organischer Masse vor EMF sehr effizient geschützt. Somit ist es auch auf starke Strahlung von aussen unempfindlich. Direkte Strahlungseinwirkung auf ein ungeschütztes Pinealorgan kommt in der Realität nicht vor, und entsprechende Untersuchungen sind nicht einmal von theoretischem Interesse.
  • Elemente der Steuerung des Melatoninsystems befinden sich beim Auge, das durch seine Lage ausserhalb des Schädels der Strahlung tatsächlich exponiert ist. Bekanntlich ist beim Menschen die Melatoninausschüttung hauptsächlich eine Funktion der Dunkelheit. Lerchl hat für seinen Versuch aber die gesamte Steuerung der Melatoninsynthese amputiert.
Zwei weitere Gründe sprechen ebenfalls für eine Relativierung der Aussagen der Studie:
  • Weiterhin ist das einzig genauer untersuchte Pinealorgan in der biologischen Realität nicht eigenständig für die Melatoninausschüttung zuständig, sondern es wird von aussen gesteuert und geregelt. Das Pinealorgan ist nur für die Melatoninsynthese aus Vorgängerstoffen zuständig, aber nicht für die Dosierung der Ausschüttung in den Blutkreislauf, die auch aus früher synthetisierten Vorräten des Hormons erfolgen kann.
  • Bei der stärksten Bestrahlungsstufe wurde das Restsystem leicht erwärmt. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde dadurch die Melatoninsynthese gefördert. Wie ebenfalls geplant werden konnte, konnte damit der Eindruck vorgegaukelt werden, als existierten allein thermische Effekte hochfrequenter Funkstrahlung.
Das Mehrzahl und die Grösse der Fehler im Versuchsplan, die jeder Biologie und Physiologie spotten, lassen es nicht nur als angemessen und angezeigt erscheinen, die Studie zurückzuziehen, sondern sogar als zwingend.

Wuff

Krasses Fehlverhalten eines Wissenschaftlers

Beitrag von Wuff » 24. Mai 2014 15:08

Krasses Fehlverhalten eines Wissenschaftlers

Lerchl stellt als Erstes den Anspruch, eine selbst erarbeitete wissenschaftliche Antwort zur Melatoninhypothese zu geben. Als Zweites stellt er einen Satz Daten her, der keinerlei Bezug zum menschlichen Melatoninsystem hat. Als Drittes zieht er aus diesen fabrizierten Daten dennoch Schlüsse in Bezug auf die Melatoninhypothese.


Kein vernünftiger und logisch richtiger Schluss zur Hypothese möglich
Ob die Melatoninhypothese tatsächlich zutrifft oder nicht ist noch nicht bekannt. Für fachwissenschaftliche Beurteilung der Studie ist dieses aber von sekundärer Bedeutung. Wie wir soeben in viewtopic.php?p=67175#67175 begründet haben, kann aus den Daten aus Lerchls Hamsterexperiment überhaupt kein vernünftiger und mit Sicherheit kein logisch richtiger Schluss zum Zutreffen der Melatoninhypothese abgeleitet und gezogen werden. Selbst wenn die Schlüsse im Ergebnis richtig wären, dann wären sie auf dem falschen Weg erreicht worden und bloss durch Zufall richtig.


Nur eine biologisch-physiologisch richtige Aussage
Der richtige Schluss aus Lerchls Experiment in DOI: 10.1111/j.1600-079X.2005.00284.x ist: „Die aus dem Experiment resultierenden Daten sind ohne Bezug zum Melatoninsystem des Menschen, weil das Melatonin synthetisierende Pinealorgan beim Menschen durch eine circa 8 cm dicke wässerige Schicht sehr gut vor EMF mit 1800 MHz geschirmt ist. Die aus dem Experiment resultierenden Daten sind auch für andere Organismen einschliesslich kleiner Nager irrelevant, weil für das Experiment sämtliche Elemente von Steuerung und Regelung des Melatoninsytems amputiert wurden. Aus der Studie können und dürfen keine Aussagen in der Art abgeleitet werden, die Daten würden die Melatoninhypothese unterstützen oder falsifizieren.“


Fabrikation von Daten zur Melatoninhypothese
Wenn Lerchl die „Daten“ aus dem Experiment in DOI: 10.1111/j.1600-079X.2005.00284.x in einen im Zusammenhang mit der Prüfung der Melatoninhypothese bringt, dann muss man diese Daten als fabriziert bezeichnen. Dieses gilt auch ohne direkte Hinweise darauf, dass Daten, die aus dem Experiment als Messresultate resultierten, erfunden oder nachträglich verändert wurden. Durch die Amputation der Steuerungs- und Regelungselemente des Melatoninsystems von dem beim Menschen gegen EMF geschirmten Pinealorgan wurden Daten generiert, die keinen Zusammenhang haben mit einer beim Menschen überhaupt vorkommenden Einwirkung von EMF auf das Melatoninsystem.


Lerchl schloss dennoch und machte falsche Aussage
Dennoch hat Lerchl geschlossen: „With regard to radiofrequency electromagnetic fields, the data do not support the melatonin hypothesis, according to which nonthermal exposure suppresses melatonin synthesis.“ Dieses heisst direkt übersetzt: „Im Hinblick auf hochfrequente elektromagnetische Felder unterstützen die Daten nicht die ‚Melatonin-Hypothese’, nach der nicht-thermische Exposition die Melatoninproduktion unterdrückt,“ und in Lerchls eigener Übersetzung anderswo: „Die Daten unterstützen nicht die ‚Melatoninhypothese’, nach der es nach nicht-thermischer Exposition zu elektromagnetischen Feldern zu einer verringerten Melatoninproduktion kommen sollte.“ (Quelle der deutschen Version http://www.emf-forschungsprogramm.de/fo ... 020_AB.pdf ).

Diese Aussage von Lerchl ist falsch.


Wissenschaftliches Vergehen

Lerchl hat vorgegeben, auf wissenschaftlichem Wege nach einer Antwort auf die Melatoninhypothese gesucht zu haben, und sein Experiment habe dazu eine gültige Antwort beigetragen. Gemessen am den biologisch-physiologischen Fehlern im Design des Experiments ist es Gaukelei und Schwindel, aus den Daten irgendeine Aussage im Zusammenhang mit der Melatoninhypothese zu tätigen. Das Experiment, das einen sechsstelligen Betrag kostete, hat überhaupt kein Wissen geschafft oder vermehrt zur Melatoninhypothese, weil es bloss scheinwissenschaftlich durchgeführt wurde. Ob das Experiment zur Melatoninhypothese vorsätzlich oder fahrlässig ohne biologisch-physiologischen Bezug zum Hormonsystem des Menschen entworfen wurde, weiss nur Lerchl selbst. Dass es durch Unwissen so gestaltet wurde, ist unwahrscheinlich, denn Lerchl hat selbst einen Lehraufsatz zum Melatoninsystem geschrieben, der in die Deutsche Nationalbibliothek eingegangen ist, http://d-nb.info/974870315/34 .

Ginge es bei Lerchls Studie nur um die Reaktion von Hamsterdrüsen auf technische EMF, dann wäre sein wissenschaftliches Vergehen ohne Wirkung ausserhalb des Elfenbeinturms. Bei der Melatoninhypothese geht es aber ausdrücklich um die Gesundheit mehrerer Milliarden Mobiltelefonnutzer. Ein Blogger hat das mit EMF des Mobilfunks verbundene finanzielle Risiko allein der Rückversicherer in seinem von Lerchl aktiv unterstützten EMF-Desinformationsblog auf unvorstellbare 1,6 Billiarden Euro veranschlagt, viewtopic.php?t=40351 .

Wuff

Re: Krasses Fehlverhalten eines Wissenschaftlers

Beitrag von Wuff » 25. Mai 2014 12:34

Wuff hat geschrieben: Fabrikation von Daten zur Melatoninhypothese
[...], dann muss man diese Daten als fabriziert bezeichnen. Dieses gilt auch ohne direkte Hinweise darauf, dass Daten, die aus dem Experiment als Messresultate resultierten, erfunden oder nachträglich verändert wurden.
Eine Art von Wissenschaftsforensiker hat mich an die „verschwundenen“ 180 Hamster erinnert (ab hier http://www.hese-project.org/Forum/wisse ... .php?id=88 ). Bis diese sehr suspekte Differenz nicht geklärt ist, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass es sich um eine Spur zu einer veritablen Datenfälschung handelt. Wir werden auf die deutsche Version von Lerchls Hamsterstudie zurückkommen.

Wuff

Zitatwürdige Studie

Beitrag von Wuff » 27. Mai 2014 14:40

Zitatwürdige Studie

Wir haben gesehen, in welch geradezu kriminellem Ausmass unsinnig das Experiment angelegt war. Konnte die Studie denn überhaupt für irgendetwas genutzt werden, und ist ihre Retraktion nicht überhaupt hinfällig?

Die Studie wurde sehr wohl verwendet und sogar zitiert! Verwendet wurde sie, um dem Bundesumweltminister und der Bevölkerung, aber auch den Ärzten draussen auf dem flachen Lande vorzugaukeln, die Melatoninhypothese sei wissenschaftlich widerlegt worden. In Tat und Wahrheit wurde gar nichts widerlegt, aber die Wortwahl lautet so, dass der Eindruck davon entstehen musste. Entsprechend entwarnend war die Wiedergabe in den Medien. Die Ärzte wurden in der von ICNIRP-Repacholi angeführten und angeleiteten Psychiatrisierung der EMF-Geschädigten ( viewtopic.php?t=23907 ) bestärkt, denn anscheinend war nun die Existenz athermischer Effekte von EMF widerlegt. Wie man mit wissenschaftlicher Form und Show selbst gestandenen Ärzten den grössten Unsinn vorgaukeln kann, hat das Dr.-Fox-Experimente gezeigt ( http://de.wikipedia.org/wiki/Dr.-Fox-Experiment ), und Lerchl hat vorgezeigte mit seiner esoterischen Amulettshow perfekt in die Praxis umgesetzt (Mitte von viewtopic.php?p=64596#64596 ).

Ausserdem ist Lerchls scheinbar endokrines Nagerexperiment Teil des Riesenprojekts der EMF-emittierenden Branchen, mit ihrere Verdünnungsstrategie die Wissenslage zu EMF-Schädigungen durch Junk Science homöopathisch zu verdünnen (Zählerstand im www.EMF-Portal.de heute: "Aktueller Status: 19378 erfasste Publikationen. (Stand: 27. Mai 2014)".

Die Studie wurde sogar von anderen Wissenschaftlern zitiert. Normalerweise sind die meisten Artikel nach fünf Jahren aus dem für Wissenschaftlerkarrieren wichtigen Zitationskarussell herausgeflogen ( http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/ue ... 1.18307870 ). Lerchls Machwerk ist hier http://www.scirp.org/journal/PaperInfor ... 4LW8y_20gI
im Referenzenapparat aufgeführt. Diese indische EMF-Studie befasst sich mit der „Ringing delusion“, dem oft berichteten Gefühl Gefühl von Mobiltelefonnutzern, ihr Mobiltelefon läuten zu hören. Was hat das mit Lerchls Melatonin“studie“ zu tun? Die Referenznummer zu Lerchls Studie kommt im Text der Inder überhaupt nicht vor. Ist das Hochstapelei oder Dummheit der Autoren? Vielleicht beides: „Ringer Solution“ ( http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php ... 3%B6sungen ) tönt ganz ähnlich. Lerchl hat seine amputierten Pinealdrüsen im Experiment mit Ringerlösung umspült. – Wenn Wissenschaft nicht etwas zum sich Kringeln Lustiges ist!

Auf diese fehlgeleitete Referenzierung sind wir durch die versuchsweise Eingabe der DOI in Google gestossen. Eingeben: DOI: 10.1111/j.1600-079X.2005.00284.x .

Wuff

Fehlverhalten: Schrottstudien zur Verdünnung

Beitrag von Wuff » 7. Juni 2014 18:45

Fehlverhalten: Schrottstudien zur Verdünnung

Wenn wir zum wissenschaftlichen Fehlverhalten nachschauen, z.B. in http://en.wikipedia.org/wiki/Scientific_misconduct oder in http://www.bmj.com/about-bmj/resources- ... misconduct , dann finden wir in Lerchls „neuer“ Ratten-„Studie nicht das klassische Fehlverhalten wie Plagiarismus oder Datenfälschung (vorbehältlich der Abklärungsergebnisse zu 500/320, siehe viewtopic.php?p=66675#66675 , http://www.hese-project.org/Forum/allg/ ... hp?id=5808 und http://www.hese-project.org/Forum/allg/ ... hp?id=5591 ).

Dass Studien um der Studien willen gemacht werden, ist nicht ganz neu, denn in der Wissenschaft gilt: Publish or perish, publiziere oder verschwinde. Daran, dass Experimente aber mutwillig und wider besseres Wissen falsch angelegt werden könnten, nein, daran haben die Verfasser von Aufstellungen zu wissenschaftlichem Fehlverhalten gar nicht gedacht. Sie konnten nicht daran denken, weil der multidisziplinäre Wissenschaftszweig Bioelectromagnetics, in dem wegen der dort herrschenden Verdünnungsstrategie allein die Menge zählt, ein Nischenbereich ist, der im Einzelnen unbekannt ist und bloss durch seine schiere Quantität imponiert. Bewusst Schrottstudien zur Verdünnung? Darauf muss man erst kommen. Das ist so was von abnorm in der normalen Wissenschaft, aus deren Disziplinen wie Zoologie und Elektronik die Heroen von Biolectromagnetics stammen. Das ist so was von abnorm in der normalen Wissenschaft, aus deren Disziplinen wie Zoologie und Elektronik die Heroen von Biolectromagnetics stammen. Die echten Koryhphäen dieser Disziplinen sollten einmal ein Auge auf die kritisierten Machwerke werfen, die ihnen (eine noch wenig bekannte) Schande bereiten.

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