von realdream » 31. März 2014 15:36
„Der Hund mit dem Frisbee“
Ein mutiger Schritt, ein eindrücklicher Versuch das Unerklärliche zu beschreiben, ein wichtiges Buch.
Daniel Göring war Kommunikationschef namhafter Organisationen. In seinem autobiografischen Buch erzählt er, wie er seine Erschöpfungsdepression bis zum versuchten Suizid erlebte und durch eine Therapie den Weg zurück ins Leben und in die Gesellschaft gefunden hat.
2014, elfundzehn Verlag, ISBN 978-3-905769-34-0
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Ich blieb, doch in meinem Inneren setzte ein Sinkflug ein. Wohl ging es nur unmerklich und langsam hinab, aber ich spürte, dass der Niedergang unumkehrbar war. Mein Umfeld realisierte nichts, da war ich mir sicher. (Seite 10)
Ich musste meine Kräfte bündeln. Auf das Wesentliche. Das war – selbstverständlich – die Arbeit. Das waren aber auch meine drei Kinder. An den Wochenenden, an denen ich sie bei mir hatte.
Die Buntheit und Vielfalt des Themenspektrums elektrisierten mich. Gleichzeitig frassen sie mir Zeit und Energie. Viel Zeit und noch mehr Energie. (S. 17)
Meine Fähigkeit zu persönlicher Kommunikation erschlaffte zusehends, die Emotionen begannen zu erstarren. … Die Beschränkungsformel prägte nicht nur den schriftlichen Ausdruck, sie schlich sich in weitere Bereiche meines Lebens. … Selbst dem Sport entsagte ich vollständig. (S. 19)
Aus dem Spiegel blickte mir eine zerknitterte Gestalt mit tiefen Furchen unter den Augen und schräg über die Wangen entgegen. … „Wofür tue ich mir das alles an?“ … Ich hatte keine Antwort auf die Frage. So simpel und einfach sie war, mir fehlte die Erklärung. Ich stand verkatert im Bad eines charakterlosen Hotelzimmers in Andermatt und hatte keine Ahnung warum. (S. 24/25).
Sicherheitshalber leitete ich mein Telefon auf das Mobilgerät um und fuhr nach Hause. Es sollte den ganzen Abend über stumm bleiben. (S. 30).
Ich glaubte mich verhört zu haben. „Was?“ plazte es aus mir heraus. Ich empfand das Verhalten als dreist. Da wurden Journalisten zu einer Erkundung der Pisten inklusive Begleitung durch einen ehemaligen Olympiasieger in der Abfahrt eingeladen. Sie erhielten alles bezahlt, von der Reise über die Mahlzeiten und die Übernachtung bis hin zur Skimiete und den Kosten für die Bahnen. Doch all das war ihnen nicht genug. Sie wollten sich einen zweiten Tag auf den Brettern vergnügen können – selbstverständlich auf Rechnung unseres Unternehmens. … Wir einigten uns auf die offizielle Begründung, dass wir dafür kein Budget hätten. … Tags darauf sollte ich erfahren, dass die Reise doch auf drei Tage ausgedehnt würde. Irgendjemand aus der Chefetage hatte entschieden, dass es im Interesse der Firma läge, die Journalisten bei Laune zu halten. Ich nahm den Umstand emotionslos zur Kenntnis. (S. 34/35)
Ich packte meine Mappe, löschte die zwei Reihen Neonröhren an der Decke und liess das Büro hinter mir. … Von der unsäglichen Last eines Kampfes befreit, den ich nicht zu gewinnen vermochte, sank ich in den Fahrersitz meines Autos. (S. 44/45)
Mein Blick traf auf den Messbecher, der von der beleuchteten Digitalanzeige des Weckers angestrahlt wurde. (S. 56)
Die Situation trug etwas Surreales in sich. Angehängt an Automaten fand das abgehängte Individuum wieder Anschluss an die Gesellschaft. Um zu wollen, dass man von ihr aufgenommen wurde und um wieder Vertrauen zu fassen, würde es allerdings mehr benötigen. Freundliche Gesichter alleine waren nicht genug. (S. 58).
Es war wie ein Signal. Das Signal, dass ich bereit war, den langen Weg zurück zu gehen. Den langen Weg zurück ins Leben. (S. 68).
Mein grösster Stachel, um die Umwelt fernzuhalten, war das Mobiltelefon. Ich schaltete es aus und hatte dadurch die alleinige Gewalt über meine Erreichbarkeit. Und war endlich ungestört. Ich fing an, das Gefühl zu mögen. Der Zwang war weg, das Ding stets mit mir herumzutragen. … Keine Anrufe, keine Kurzmeldungen und auch keine E-Mails. Alle wurden sie vom Gerät zurückgehalten. Solange wie es mir beliebte. Ich registrierte eine tiefe Befriedigung in mir. (S. 70/71)
Ich konnte es nicht mehr hören. Alle redeten mir ein, ich müsse Geduld haben und mir Zeit nehmen. Ich wollte zurück ins Leben und in die Gesellschaft. Und ich wollte, dass es vorwärtsging. (S. 73)
„Geduld und Humor sind Kamele, mit denen man die Wüste durchwandern kann.“ (Rafik Schami, zitiert von Daniel Göring auf Seite 74)
Kaum gedacht, wurde mir die Bedeutung meiner Überlegung bewusst. Ich erschrak. Ich hatte soeben aus der Position eines Aussenstehenden ein Urteil über mich selbst gefällt. (S. 78/79)
Wochen, von denen ich mir Perspektiven für den weiteren Lebensweg erhoffte, den Mut, einen Weg zu wählen und die Kraft und Ausdauer, diesen zu begehen. So zumindest hatte ich meine Erwartungen auf dem Fragebogen formuliert, der mir von der Klinik vorab zum Asufüllen geschickt worden war. (S. 80)
Ich war einer von rund 150 Patienten. Die eine Hälfte war in der Folge kardiologischer Eingriffe hier, die andere wegen psychosomatischer Befunde. Dass die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Krankheitsbilder unter einem Dach behandelt werden, erstaunt nicht, wenn man weiss, dass es für sie ein gemeinsames Heilmittel gibt: moderate Bewegung. Leichte sportliche Betätigung durchlüftet das Gehirn und hebt die Stimmung, stärkt die Widerstandskraft des Herzens und hält den Organismus in Schwung. (S. 81/82)
Ich hatte verlernt, auch abseits des Sports auf meinen Körper zu achten und wachsam zu sein für die Signale, die er mir mitzuteilen hatte. Die Erkenntnis wandelte sich in mir zur Absicht, mit dem Wahrnehmungsradar vermehrt mein Innenleben abzutasten. (S. 85)
„Sie können sich gar nicht mehr richtig erholen und abschalten, auch an Wochenenden oder in den Ferien nicht mehr. Sie sind immer und jederzeit kampfbereit. So zehren Sie fortwährend von Ihren Reserven, bis sie aufgebraucht sind. Dann benötigt es unter Umständen ein Ereignis mit einem für sich genommen relativ geringen Stresspotential, und Ihr Körper kippt aus der Bahn.“ Mir ging ein Licht auf. (Daniel Göring zitiert einen Therapeuten, S. 89)
All die Katastrophen und Krisen, die während meiner Zeit als Sprecher der Luftfahrtbehörde über mich hergefallen waren, hatten meinen Grundpegel an Stress, Kampfbereitschaft und Abwehrreflex nach oben gedrückt. … Dennoch hatte ich dessen Gefährlichkeit nicht realisiert. (S. 91)
Ob passiv wie die kontemplative oder Ruhemeditation, ob aktive Formen wie Yoga, ob in der westlichen Tradition verankert oder aus fernöstlichen Kulturen angenommen und adaptiert – die Vielfalt ist ebenso verwirrend wie kaum überschaubar. Woher die Schule auch immer kam und welche Techniken sie beinhalten mochte, es waren das spirituelle Erbe und meine tiefe Verwurzelung in Realität und Rationalität, die mir bewusstseinserweiternde Praktiken seit jeher als suspekt erscheinen liessen. … In mich hineinzuhorchen war mir unheimlich und unwägbar zugleich. (S. 92/93)
„Machen Sie sich keine Gedanken, wenn es nicht geklappt hat“, versuchte uns die Frau mit ihrer hellen Stimme zu beruhigen. „Sie brauchen noch etwas Übung, bis die Technik ihre Wirkung entfaltet.“ (Daniel Göring zitiert eine Betreuerin, S. 96)
„Ich würde versuchen, nichts anderes zu haben. Einfach nur Augenblicke, einen nach dem anderen, anstatt so viel in der Zukunft zu leben. Ich bin jemand, die nie irgendwohin geht ohne ein Thermometer, eine Thermosflasche, einen Regenmantel und einen Fallschirm mitzunehmen. Könnte ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen, ich würde mit viel leichterem Gepäck reisen als dieses Mal.“ (Daniel Göring zitiert aus dem Text einer 85-jährigen Amerikanerin, S. 102)
Ich hatte einen Gartenstuhl aus dem Keller gezerrt und mich unter Kopfschütteln meiner Mutter, die nicht begreifen mochte, wie man einen Nachmittag derart vertrödeln konnte, auf den nach Westen ausgerichteten Balkon des Elternhauses gesetzt. … Unerklärlicherweise hatte ich dem subjektiv geglückten Versuch bis heute keinen weiteren mehr folgen lassen. (S. 103)
Sie blieb unter uns Patienten unausgesprochen, die eminente Bedeutung eines tragenden sozialen Netzes für Depressionskranke. Aber wir alle spürten den Gedanken durch die Luft schwirren. Es war hart, mit seiner Krankheit alleine zu sein. (S. 111)
Ich war erleichtert und gerührt. Erleichtert, weil ich es geschafft hatte, mein Schicksal vor einer Gruppe offenzulegen – sachlich und bestimmt, nicht emotionsgeladen und nicht anklagend. So als wären es die Erlebnisse eines Anderen und nicht meine eigenen gewesen. (S. 119)
Mein Dank gilt all jenen Menschen, die mich in den schweren Stunden der Krankheit begleitet haben, mir Zuspruch und Halt gaben und mir halfen, den Weg zurück ins Leben und in die Gesellschaft zu finden – und ihn auch zu beschreiten. Es war für meine Begleiter ein beschwerlicher Weg, der sie abschnittweise viel Kraft gekostet hat. Ich weiss zu schätzen, dass sie an meiner Seit geblieben sind. (S. 125)
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„Der Hund mit dem Frisbee“
Ein mutiger Schritt, ein eindrücklicher Versuch das Unerklärliche zu beschreiben, ein wichtiges Buch.
Daniel Göring war Kommunikationschef namhafter Organisationen. In seinem autobiografischen Buch erzählt er, wie er seine Erschöpfungsdepression bis zum versuchten Suizid erlebte und durch eine Therapie den Weg zurück ins Leben und in die Gesellschaft gefunden hat.
2014, elfundzehn Verlag, ISBN 978-3-905769-34-0
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Ich blieb, doch in meinem Inneren setzte ein Sinkflug ein. Wohl ging es nur unmerklich und langsam hinab, aber ich spürte, dass der Niedergang unumkehrbar war. Mein Umfeld realisierte nichts, da war ich mir sicher. (Seite 10)
Ich musste meine Kräfte bündeln. Auf das Wesentliche. Das war – selbstverständlich – die Arbeit. Das waren aber auch meine drei Kinder. An den Wochenenden, an denen ich sie bei mir hatte.
Die Buntheit und Vielfalt des Themenspektrums elektrisierten mich. Gleichzeitig frassen sie mir Zeit und Energie. Viel Zeit und noch mehr Energie. (S. 17)
Meine Fähigkeit zu persönlicher Kommunikation erschlaffte zusehends, die Emotionen begannen zu erstarren. … Die Beschränkungsformel prägte nicht nur den schriftlichen Ausdruck, sie schlich sich in weitere Bereiche meines Lebens. … Selbst dem Sport entsagte ich vollständig. (S. 19)
Aus dem Spiegel blickte mir eine zerknitterte Gestalt mit tiefen Furchen unter den Augen und schräg über die Wangen entgegen. … „Wofür tue ich mir das alles an?“ … Ich hatte keine Antwort auf die Frage. So simpel und einfach sie war, mir fehlte die Erklärung. Ich stand verkatert im Bad eines charakterlosen Hotelzimmers in Andermatt und hatte keine Ahnung warum. (S. 24/25).
Sicherheitshalber leitete ich mein Telefon auf das Mobilgerät um und fuhr nach Hause. Es sollte den ganzen Abend über stumm bleiben. (S. 30).
Ich glaubte mich verhört zu haben. „Was?“ plazte es aus mir heraus. Ich empfand das Verhalten als dreist. Da wurden Journalisten zu einer Erkundung der Pisten inklusive Begleitung durch einen ehemaligen Olympiasieger in der Abfahrt eingeladen. Sie erhielten alles bezahlt, von der Reise über die Mahlzeiten und die Übernachtung bis hin zur Skimiete und den Kosten für die Bahnen. Doch all das war ihnen nicht genug. Sie wollten sich einen zweiten Tag auf den Brettern vergnügen können – selbstverständlich auf Rechnung unseres Unternehmens. … Wir einigten uns auf die offizielle Begründung, dass wir dafür kein Budget hätten. … Tags darauf sollte ich erfahren, dass die Reise doch auf drei Tage ausgedehnt würde. Irgendjemand aus der Chefetage hatte entschieden, dass es im Interesse der Firma läge, die Journalisten bei Laune zu halten. Ich nahm den Umstand emotionslos zur Kenntnis. (S. 34/35)
Ich packte meine Mappe, löschte die zwei Reihen Neonröhren an der Decke und liess das Büro hinter mir. … Von der unsäglichen Last eines Kampfes befreit, den ich nicht zu gewinnen vermochte, sank ich in den Fahrersitz meines Autos. (S. 44/45)
Mein Blick traf auf den Messbecher, der von der beleuchteten Digitalanzeige des Weckers angestrahlt wurde. (S. 56)
Die Situation trug etwas Surreales in sich. Angehängt an Automaten fand das abgehängte Individuum wieder Anschluss an die Gesellschaft. Um zu wollen, dass man von ihr aufgenommen wurde und um wieder Vertrauen zu fassen, würde es allerdings mehr benötigen. Freundliche Gesichter alleine waren nicht genug. (S. 58).
Es war wie ein Signal. Das Signal, dass ich bereit war, den langen Weg zurück zu gehen. Den langen Weg zurück ins Leben. (S. 68).
Mein grösster Stachel, um die Umwelt fernzuhalten, war das Mobiltelefon. Ich schaltete es aus und hatte dadurch die alleinige Gewalt über meine Erreichbarkeit. Und war endlich ungestört. Ich fing an, das Gefühl zu mögen. Der Zwang war weg, das Ding stets mit mir herumzutragen. … Keine Anrufe, keine Kurzmeldungen und auch keine E-Mails. Alle wurden sie vom Gerät zurückgehalten. Solange wie es mir beliebte. Ich registrierte eine tiefe Befriedigung in mir. (S. 70/71)
Ich konnte es nicht mehr hören. Alle redeten mir ein, ich müsse Geduld haben und mir Zeit nehmen. Ich wollte zurück ins Leben und in die Gesellschaft. Und ich wollte, dass es vorwärtsging. (S. 73)
„Geduld und Humor sind Kamele, mit denen man die Wüste durchwandern kann.“ (Rafik Schami, zitiert von Daniel Göring auf Seite 74)
Kaum gedacht, wurde mir die Bedeutung meiner Überlegung bewusst. Ich erschrak. Ich hatte soeben aus der Position eines Aussenstehenden ein Urteil über mich selbst gefällt. (S. 78/79)
Wochen, von denen ich mir Perspektiven für den weiteren Lebensweg erhoffte, den Mut, einen Weg zu wählen und die Kraft und Ausdauer, diesen zu begehen. So zumindest hatte ich meine Erwartungen auf dem Fragebogen formuliert, der mir von der Klinik vorab zum Asufüllen geschickt worden war. (S. 80)
Ich war einer von rund 150 Patienten. Die eine Hälfte war in der Folge kardiologischer Eingriffe hier, die andere wegen psychosomatischer Befunde. Dass die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Krankheitsbilder unter einem Dach behandelt werden, erstaunt nicht, wenn man weiss, dass es für sie ein gemeinsames Heilmittel gibt: moderate Bewegung. Leichte sportliche Betätigung durchlüftet das Gehirn und hebt die Stimmung, stärkt die Widerstandskraft des Herzens und hält den Organismus in Schwung. (S. 81/82)
Ich hatte verlernt, auch abseits des Sports auf meinen Körper zu achten und wachsam zu sein für die Signale, die er mir mitzuteilen hatte. Die Erkenntnis wandelte sich in mir zur Absicht, mit dem Wahrnehmungsradar vermehrt mein Innenleben abzutasten. (S. 85)
„Sie können sich gar nicht mehr richtig erholen und abschalten, auch an Wochenenden oder in den Ferien nicht mehr. Sie sind immer und jederzeit kampfbereit. So zehren Sie fortwährend von Ihren Reserven, bis sie aufgebraucht sind. Dann benötigt es unter Umständen ein Ereignis mit einem für sich genommen relativ geringen Stresspotential, und Ihr Körper kippt aus der Bahn.“ Mir ging ein Licht auf. (Daniel Göring zitiert einen Therapeuten, S. 89)
All die Katastrophen und Krisen, die während meiner Zeit als Sprecher der Luftfahrtbehörde über mich hergefallen waren, hatten meinen Grundpegel an Stress, Kampfbereitschaft und Abwehrreflex nach oben gedrückt. … Dennoch hatte ich dessen Gefährlichkeit nicht realisiert. (S. 91)
Ob passiv wie die kontemplative oder Ruhemeditation, ob aktive Formen wie Yoga, ob in der westlichen Tradition verankert oder aus fernöstlichen Kulturen angenommen und adaptiert – die Vielfalt ist ebenso verwirrend wie kaum überschaubar. Woher die Schule auch immer kam und welche Techniken sie beinhalten mochte, es waren das spirituelle Erbe und meine tiefe Verwurzelung in Realität und Rationalität, die mir bewusstseinserweiternde Praktiken seit jeher als suspekt erscheinen liessen. … In mich hineinzuhorchen war mir unheimlich und unwägbar zugleich. (S. 92/93)
„Machen Sie sich keine Gedanken, wenn es nicht geklappt hat“, versuchte uns die Frau mit ihrer hellen Stimme zu beruhigen. „Sie brauchen noch etwas Übung, bis die Technik ihre Wirkung entfaltet.“ (Daniel Göring zitiert eine Betreuerin, S. 96)
„Ich würde versuchen, nichts anderes zu haben. Einfach nur Augenblicke, einen nach dem anderen, anstatt so viel in der Zukunft zu leben. Ich bin jemand, die nie irgendwohin geht ohne ein Thermometer, eine Thermosflasche, einen Regenmantel und einen Fallschirm mitzunehmen. Könnte ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen, ich würde mit viel leichterem Gepäck reisen als dieses Mal.“ (Daniel Göring zitiert aus dem Text einer 85-jährigen Amerikanerin, S. 102)
Ich hatte einen Gartenstuhl aus dem Keller gezerrt und mich unter Kopfschütteln meiner Mutter, die nicht begreifen mochte, wie man einen Nachmittag derart vertrödeln konnte, auf den nach Westen ausgerichteten Balkon des Elternhauses gesetzt. … Unerklärlicherweise hatte ich dem subjektiv geglückten Versuch bis heute keinen weiteren mehr folgen lassen. (S. 103)
Sie blieb unter uns Patienten unausgesprochen, die eminente Bedeutung eines tragenden sozialen Netzes für Depressionskranke. Aber wir alle spürten den Gedanken durch die Luft schwirren. Es war hart, mit seiner Krankheit alleine zu sein. (S. 111)
Ich war erleichtert und gerührt. Erleichtert, weil ich es geschafft hatte, mein Schicksal vor einer Gruppe offenzulegen – sachlich und bestimmt, nicht emotionsgeladen und nicht anklagend. So als wären es die Erlebnisse eines Anderen und nicht meine eigenen gewesen. (S. 119)
Mein Dank gilt all jenen Menschen, die mich in den schweren Stunden der Krankheit begleitet haben, mir Zuspruch und Halt gaben und mir halfen, den Weg zurück ins Leben und in die Gesellschaft zu finden – und ihn auch zu beschreiten. Es war für meine Begleiter ein beschwerlicher Weg, der sie abschnittweise viel Kraft gekostet hat. Ich weiss zu schätzen, dass sie an meiner Seit geblieben sind. (S. 125)
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